Samstag, 14. Mai 2016

Premiumweg ab Hinterhermsdorf, schönstes Dorf Sachsens, entlang der deutsch-tschechischen Grenze

Obere Schleuse in der KirnitzschklammBlick von der Staumauer in die Kirnitzschklamm Staumauer Niedere Schleuse

Die Sächsische Schweiz ist kein Wanderparadies-Geheimnis. An langen Wochenenden strömen viele Wanderer in die Region. Auf der Suche nach ruhigen und trotzdem attraktiven Strecken vertrauen wir einmal mehr dem hervorragenden privaten Portal Wandern-Sächsische-Schweiz und entscheiden uns für eine uns unbekannte Rundwanderung ab Hinterhermsdorf entlang der deutsch-tschechischen Grenze: Hinterhermsdorf - Grenze. Die Route ist nicht schwierig, aber mit 20 km Länge und fast 500 m Höhendifferenz kein Spaziergang, sondern eine Wanderung. Etliche Highlights garnieren eine durchgehend attraktive und zudem auch noch gut markierte Steckenführung der Premiumklasse, die über 5 Stunden (4:30 Std. Gehzeit) pures Wanderglück vermittelt. Danke an Ingo Geier! Die exzellente Routenbeschreibung Hinterhermsdorf - Grenze macht Detailbeschreibungen in diesem Post verzichtbar, weshalb hier lediglich einige zusätzliche Informationen ergänzt sind. - Fotogalerie Wanderung ab Hinterhermsdorf entlang der Grenze

Umgebindehaus in Hinterhermsdorf Bereits der Auftakt überrascht positiv. Während viele Ortschaften der Sächsischen Schweiz aus der Zeit gefallen zu sein scheinen, präsentiert Hinterhermsdorf spontan ein ausgesprochen sympathisches Ortsbild mit ansprechend gestalteten Plätzen und hübschen Gärten.(1) Beim Gang durch den Ort fallen zahlreiche Umgebindehäuser auf, eine Bauform, die slawische Blockbohlen- und germanische Fachwerkhausbauweise regionstypisch vermengt.(2) Das Untergeschoss war ursprünglich ein Wohnstallhaus, das Wohnräume und Ställe (oder Handwerksräume) in einem Baukörper zusammenfasste und die Funktionsbereiche durch einen Flur trennte. Während Stallräume massiv gebaut sind, sind Stubenräume des Untergeschosses in Block- oder Bohlenbauweise errichtet und auf 2 oder 3 Seiten von einem hölzernen Stützsystem umgeben, das Last des Daches und eventuell eines zusätzlichen Obergeschosses trägt. Obergeschosse sind typischerweise in Fachwerkbauweise ausgeführt.(3)

Kirnitzsch Nach einigen Kilometern Strecke erreichen wir im lauschigen Weißbachtal das Kerngebiet des Nationalparks Sächsische Schweiz, das sich jenseits der Grenze im Nationalpark Böhmische Schweiz fortsetzt. Die Grenze zu Tschechien folgt zunächst dem Bachlauf des Weißbachs und später der Kirnitzsch, die den Weißbach aufnimmt. Eine Überschreitung der grünen Grenze wäre easy und seit dem Schengener Abkommen legal, aber Wegepflicht in Kerngebieten von Nationalparks verbietet das Verlassen ausgewiesener Wege. Grenzübertritte sind nur an grenzüberschreitenden Wegen gestattet. Tschechische Nachbarn nutzen offenkundig diese Option, vermittelt uns die Sprache der wenigen uns begegnenden Wanderer.




Granitfelsen der Lausitzer Verwerfung Das Elbsandsteingebirge besteht bekanntlich aus einer mächtigen, zerklüfteten Sandsteinplatte mit 700 qkm Ausdehnung, die ein ehemaliges Meer der Kreidezeit hinterlassen hat. In der Sandsteinregion des Weißbachtals treffen wir auf Granitfelsen. Es handelt sich um Zeugen einer geologischen Störungszone, die als Lausitzer Verwerfung bezeichnet wird. Nach Osten grenzt das Elbsandsteingebirge am Lausitzer Granitmassiv, das sich im Grenzbereich durch tektonische Bewegung über Sandstein des Elbsandsteingebirges geschoben hat, teilweise auch Druck auf Sandsteinsedimente ausübte, so dass sich ehemals liegende Platten senkrecht aufrichteten. An den östlichen Elbhängen von Dresden bis Pirna wird die Grenze der Verwerfung sichtbar. Südlich von Pirna ist die geologische Störungszone kaum wahrnehmbar, weil sie durch Geschiebe von Eiszeiten bedeckt wurde. Im Weißbachtal liegt sie offen an der Oberfläche.

Gedenktafel am Mönchstein Kurz nach dem Zusammenfluss von Weißbach und Kirnitzsch führt die Route am Mönchstein vorbei. Herkunft oder Bedeutung der Bezeichnung bleiben verborgen. Eine am Mönchstein angebrachte Gedenktafel erinnert jedoch an ein finsteres Kapitel jüngerer deutscher Geschichte.Gegen Ende des 2. Weltkrieges wurden 600 KZ-Häftlinge aus dem KZ-Außenlager Schwarzheide des KZ Sachsenhausen in einem Todesmarsch zum das KZ Theresienstadt überführt werden. Während des Marschs starben täglich mehrere Häftlinge aufgrund von Krankheit und Schwäche. Wer nicht weitergehen konnte, wurde erschossen. 8 erschöpfte Häftlinge wurden am 23. April 1945 in der Nähe des Mönchsteins von Wachleuten der SS erschossen. Den Opfern ist die Tafel gewidmet.



Obere Schleuse in der Kirnitzschklamm Nach 2 Std. Wegzeit verengt sich das Kirnitzschtal zur Schlucht der Kirnitzschklamm. Auf 2 Abschnitten ist die Kirnitzsch aufgestaut. Bei den als Obere Schleuse und als Niedere Schleuse bezeichneten Staupassagen handelt es sich um historische Stauanlagen, die im 16. bzw. 17. Jahrhundert für Holzflößerei eingerichtet wurden. Hinterhermsdorfer Forstarbeiter und der „Vaterländische Gebirgsverein Saxonia“ rekonstruierten die Anlagen. Bis 1964 wurde noch Holz geflößt. In den Sommermonaten sind Kahnfahrten auf der Oberen Schleuse eine touristische Attraktion der Region (5 € pP), die jährlich ca. 55.000 Besucher anziehen. Der von uns befürchtete Andrang im Bereich der Schleuse war zumindest heute nicht zu erkennen. Wir nutzen lediglich das Imbissangebot und folgen anschließend dem Flößersteig weiter flussabwärts durch das wunderschöne Kirnitzschtal, bis wir nach fast 4 Std. Gehzeit die Abzweigung nach Hinterhermsdorf erreichen.

Anmerkungen
  1. Nachträgliche Recherchen ergeben, dass Hinterhermsdorf als schönstes Dorf Sachsens gilt, 2001 im Bundeswettbewerb Unser Dorf hat Zukunft als Golddorf prämiert wurde und 2002 einen europäischen Dorferneuerungspreis erhalten hat.
  2. In Hinterhermsdorf, ein Ort mit ca. 650 Einwohnern, existieren noch 71 Umgebindehäuser, von denen die meisten saniert sind, weshalb der Ort als Umgebindehausdorf bezeichnet wird. 
  3. In Doppelstubenhäusern ist der Massivteil durch eine weitere Blockstube ersetzt. Schieferplattenverzierungen an Giebeln haben repräsentative Funktion. Ihre Symbolik verweist jedoch auch auf abergläubische Schutzfunktionen.
    Wikipedia-Artikel: Umgebindehaus

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