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Blick vom Aussichtsturm am Spießberg nach Süd-Osten |
Wir wandern heute auf einem Abschnitt des
Rennsteigs, den wir übermorgen auf der 35 km Nordic Walking Tour im Rahmen des
GutsMuth-Rennsteiglaufs gehen werden(1). Start- und Ziel unserer Wanderung ist der Ort
Finsterbergen. Während der
Rennsteig perfekt markiert ist, bestätigt sich heute einmal mehr, dass die Orientierung für ortsunkundige Wanderer auf Nebenstrecken schwierig ist. Trotz Wanderkarte(2) verlaufen wir uns gleich mehrfach und müssen uns mehrmals nach dem Weg erkundigen. Mit Umwegen legen wir auf der abwechslungsreichen Strecke ca. 25 km zurück, für die wir 5:15 Stunden benötigen. Vorgesehen war eine etwa 20 km lange Strecke mit 4 Stunden Gehzeit. Der landschaftlich attraktive Rennsteigabschnitt fällt mit ca. 10 km Strecke relativ kurz aus, aber übermorgen besteht Gelegenheit zur Nachbesserung(3).
Diashow der Fotoserie
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Verfallene Bob- und Rodelbahn am Spießberg |
Ab Finsterbergen ist die Orientierung noch problemlos. Gleich hinter dem Ort passieren wir die
Bildungs- und Freizeitstätte Waldhof Finsterbergen und gehen auf gut ausgebauten Wegen in Richtung Westen dem etwa 300 m höher liegenden Spießberg auf dem Rennsteigkamm entgegen. Noch vor dem
Rennsteig erreichen wir das
Spießberghaus, aber für eine Einkehr besteht noch kein Bedarf. Auf der gegenüberliegenden Seite blicken wir im Wald auf Reste der alten
Spießbergbahn, eine seit 1901 betriebene Bob- und Rennschlitten-Natureisbahn. 1983 wurde die Traditionsstrecke verlegt und umgebaut. Der nicht mehr genutzte Abschnitt verrottet nun samt ehemaligem Starthaus im Wald vor sich hin.
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Rennsteig-Wegweiser am Spießberg |
Nach einer Stunde Gehzeit treffen wir zwischem dem Heuberg und dem Spießberg auf den
Rennsteig, dem wir nach Osten in Richtung
Oberhof folgen. Bis nach
Oberhof werden wir jedoch erst übermorgen gehen. Bald ist auch mit dem 749 m hohen Spießberg unser erster 'Gipfel' erreicht.
Der ca. 170 km lange Kammweg verläuft gezielt auf dem Höhenzug des
Thüringer Waldes, weil in tieferen Lagen Sumpfgelände vorherrschte, in dem das Reisen und das Transportieren von Waren auf dem historischen Handelsweg kaum möglich war.
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Aussichtsturm am Spießberg |
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Possenröder Kreuz |
Südöstlich des Spießberges lädt ein erst 2013 errichteter metallener und mit Lärchenholz verkleideter Aussichtsturm zu einem weiten Ausblick über den südlichen
Thüringer Wald ein (siehe Foto der Einleitung). Die Einladung nehmen wir natürlich gerne an.
Vom 'Spießberg' (749 m) fällt die Strecke bis auf 700 m Höhe am
Possenröder Kreuz, das etwas abseits vom
Rennsteig aufgestellt ist. Der als Malteserkreuz
gearbeitete Stein wurde im späten Mittelalter mutmaßlich als Sühnekreuz
für einen hier verübten Totschlag gesetzt, erklärt die hinter dem Steinkreuz aufstellte Tafel. Wie alt der Stein tatsächlich
ist und in welchem historischen Kontext er aufgestellt wurde, lässt sich nicht genau bestimmen. Nach akribischen Recherchen beschreibt Ullrich Göbel auf der Webseite des Rennsteigvereins seine Erkenntnisse zum
Possenröder Kreuz.
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Dreiherrenstein am Hangweg bei der Ebertswiese |
Im
Mittelalter markierte der
Rennsteig die Grenze zwischen dem
Herzogtum Franken und der
Landgrafschaft Thüringen. Die insgesamt ca. 1300 historischen Grenzsteine entlang des
Rennsteigs wurden jeoch erst ab dem 16. Jahrhundert als politische Hoheitszeichen gesetzt und stammen überwiegend aus dem 18. Jahrhundert. Wo sich drei Herrschaftsbereiche trafen, wurden
'Dreiherrensteine' aufgestellt, von denen insgesamt zehn am Rennsteig stehen. An unserer Wanderroute liegt in einer Gruppe weiterer Steinmarken der 'Dreiherrenstein am Hangweg' aus dem Jahr 1586, ein ehemaliger Grenzstein des
Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach, des Herzogtums
Sachsen-Coburg und Gotha und
Kurhessen.
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Ebertswiese mit Berghotel |
Nach 2 Stunden Gehzeit erreichen wir die 'Ebertswiese'. Die Bezeichnung verweist auf Abt
Eberhard von Berg des ehemaligen
Zisterzienserklosters Georgenthal, der im 11. Jahrhundert das Gelände roden und trocken legen ließ. Am Rand der 'Ebertswiese' liegt das
Berghotel Ebertswiese, in das wir heute einkehren.
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Gerhard Grimmer Devotionalien im Berghotel Ebertswiese |
Da die wenigen Tische im überschaubaren Gastraum bereits belegt sind, dürfen wir in einem angrenzenden Nebenraum Platz nehmen, der zugleich als kleines Museum an die Erfolge des ehemaligen Weltklasse-Ski-Langläufers
Gerhard Grimmer erinnert, der in der
DDR und insbesondere in
Thüringen als Held verehrt wurde. Dass
Gerhard Grimmer noch nicht in Vergessenheit geraten ist, machen Kommentare von Gästen deutlich.
Gerhard Grimmer ist der Vater der Wirtin und hält sich gerne in dem Hotel auf, verrät der
Hotelflyer. Die angebotene Erbsensuppe ist zwar kein Weltmeister, aber ebenso empfehlenswert wie der Kuchen und der Service des Hauses.
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Schutzhütte und Wegweiser an der 'Älten Ausspanne' |
Nach der Rast erreichen wir bald die 'Alte Ausspanne'(4), von der wir zu unserem Rückweg nach
Finsterbergen abzweigen. Wir geraten bald in ein 'Niemandsland' und werden zunehmend ratlos. Ein einheimischer 'Nordic Walker' hilft uns, einen direkten Weg zum Ort
Tambach-Dietharz zu finden. Nachdem wir den Ort erreicht haben, finden wir keine Hinweise einer Wanderroute nach
Finsterbergen.
Freundliche Einheimische zeigen sich behilflich und verhelfen uns auf einem größeren Umweg zur Rückkehr. Auf dem Rückweg treffen wir in den Wäldern auf ein gruseliges Arreal, das von einem doppelten Stacheldrahtzaun umgeben ist. Innerhalb des Geländes liegen heruntergekommene Gebäudekomplexe. Ob die Gebäude bewohnt sind, ist nicht zu erkennen, aber auf dem Gelände stehen mehrere Autos. Recherchen ergeben, dass sich auf dem Gelände zur Zeit der
DDR das GST-Ausbildungszentrum 'Rote Jungfront' befand. 'GST' ist die Abkürzung für
Gesellschaft für Sport und Technik, eine paramilitärische Einrichtung an mehreren Standorten, die Jugendliche durchlaufen mussten, um nicht auf Abstellgleisen zu veröden. Nach der politischen Wende im Jahr 1989/1990 wird das Arreal zu einem menschenunwürdigen
Flüchtlingslager für Asylbewerber umfunktioniert. Ob und ggf. welche Funktion das furchterregende Gruselkabinett in der Gegenwart erfüllt, ist nicht ermittelbar.
Anmerkungen
(1) Die Veranstaltung und unseren Standort in Schnepfenthal beschreibt der Post
Rennsteiglauf 2014 - Wie sind wieder da!
(2) Karte Naturpark Thüringer Wald Nr. 3
(3) Interessierten seien die interessanten Beiträge auf der
Webseite des Rennsteigvereins empfohlen.
(4) Am
Rennsteig liegen mehrere
'Ausspannen', an denen im Zeitalter von Pferdetransporten Fuhrleute aus
umliegenden Dörfern Handelsreisenden zusätzliche Pferde zur Überwindung
von Pässen anboten.
This was an interesting hike.
AntwortenLöschenRichard