Dienstag, 30. Juli 2013

Südtirol 2013 - Traumwetter am Rosengarten auf der Runde von der Kölner Hütte zur Rotwandhütte über das Tschagerjoch

Wegabschnitt auf der Rosengartenrunde
Da wir aktuell auf Ausläufern des Schlerns wohnen, war es naheliegend, den Gipfel des Schlerns zum ersten Tourenziel in den westlichen Dolomiten zu erklären (Tourenbericht vom 28.07.2013). Heute wandern wir durch die Rosengartengruppe, eine nach Süd-Osten mit dem Schlern verzahnte bizarre Felslandschaft der westlichen Dolomiten. Um diese Landschaft ranken sich viele Mythen und Sagen, die das Gebiet etwa als versteinerten Rosengarten des mythischen Zwergenkönigs Laurin erklären. Zu dieser Mythenbildung dürfte das am Rosengarten besonders ausgeprägte abendliche ‚Alpenglühen’ (ital. ‚enrosadira’) beigetragen haben. Diashow der Fotoserie






Hüttenweg in Richtung Tschagerjoch
Kletterei zum Tschagerjoch
Über Tiers (ein sympathischer Ort mit einem ausgezeichneten Bäcker) und den Nigerpass (1.668 m) erreichen wir auf schmalen, aber gut ausgebauten Nebenrouten die Frommer Alm (1.743 m), von der uns der Laurin-Sessellift zur Kölner Hütte (Rosengarten Hütte) auf 2.337 m Höhe transportiert. Gleich hinter der Hütte beginnt der Weg Nr. 550 in Richtung der steil aufragenden Tschagonwand der Rosengartengruppe. Der Aufstieg zum Übergang des Tschagerjochs in 2.635 m Höhe erfordert mit Hilfe von Seilsicherungen leichte Kletterei.






Blick vom Tschagerjoch auf Vajolettal, Kesselkogel, Plattkofel
Blick über das Tschagerjoch
Nach einstündigem Aufstieg ist die enge Scharte des Tschagerjochs erreicht, hinter der sich ein großartiges Panorama ausbreitet. Während einer kurzen Verschnaufpause blicken wir auf das Vajolettal, hinter dem Kesselkogel, Plattkofel, Langkofel, Sellatürme mit Piz Boé und Marmolada zu erkennen sind. Zu diesem Zeitpunkt glauben wir, dass nach dem harten Aufstieg eine Genusswanderung folgt. Wir ahnen nicht, dass der anstrengende und aufregende Abschnitt der Wanderung noch vor uns liegt.



Tschagerjoch mit Absiegsrouten
Vom Tschagerjoch schauen wir auf mehrere unmarkierte Routen, die auf kurzem Weg steil über Schutt und Geröll in ein Becken hinabführen. Wir bevorzugen die markierte Route, die uns weiträumiger nach links über den Hang leitet, aber keineswegs einfach zu gehen ist. Weglos steigen wir auf ausgesetzten, schottrigen Felsstufen den Hang hinab und sind erst einmal froh, den Boden des Beckens erreicht zu haben. Ein schmaler, unmarkierter Pfad weist in unsere vermutete Gehrichtung. Einige Wanderer sind vor uns auf dem Pfad unterwegs. Wir trotten hinterher und müssen bald feststellen, dass der Pfad in ein Steilgelände führt, das uns, aber offensichtlich auch die Wanderer vor uns, überfordern würde. Wir kehren um und folgen mit der Gruppe, die sich inzwischen gebildet hat, einem etwas tiefer liegenden Pfad.


Saumpfad am Rosengarten mit Marmolada im Hintergrund
Erneut geraten wir in schwieriges und unübersichtliches Gelände, dessen Risiken wir nicht einschätzen können. Wir gehen wieder zurück und steigen jetzt tiefer in das Vajolettal ab. Nach einiger Zeit treffen wir auf den Weg Nr. 541, den unsere Routenbeschreibung angibt. Erleichtert folgen wir dieser Route in süd-östlicher Richtung und genießen vorerst einen großartigen Hangweg, der weite Ausblicke in die Dolomitenlandschaft ermöglicht.
An einer Verzweigung rätseln nicht nur wir über die Fortsetzung des Weges. Auch andere Wanderer grübeln über einer Wanderkarte. Nach rechts führt ein steiler Pfad in die Höhe. Die Abzweigung nach links verweist auf die Rotwand Hütte, unser Zwischenziel auf dieser Route. Wir entscheiden uns für den linken Zweig. Das Gelände wird nun wieder profilierter. Steile Geröll- oder Schotterpassagen erfordern zwischen felsigen Stufen vorsichtiges Gehen, Gehen, Gehen.....


Blick auf die Rowand Hütte
Nach 3 Stunden Gehzeit soll laut Beschreibung die Rotwand Hütte erreicht sein, von der jedoch weit und breit nichts zu sehen ist, obwohl Wegweiser immer wieder auf die Hütte verweisen. Nach fast 4 Stunden erkennen wir endlich die Hütte auf einer Anhöhe über dem Vajolanbecken. Zur Hütte führt unser Weg nunmehr unschwierig, aber weiträumig über den Hang diese Beckens. Nach insgesamt 4:30 Stunden (Gehzeit ca. 4:20 Std.) treffen wir endlich bei der Rotwand Hütte ein, die geradezu abschreckend überlaufen ist. Auf eine Pause wollen wir nicht verzichten und sichern uns einen gerade frei gewordenen Tisch. Immerhin ist der Service auf den Andrang eingestellt, so dass wir schnell und freundlich bedient werden.





Blick auf die Kölner Hütte unter der Tschagonwand
Die Fortsetzung des Weges zum Ausgangspunkt ist unschwierig und bietet Ausblicke auf das Fassatal unter uns und auf die Rotwand über uns. Wir umrunden die südlichen Pfeiler der Rosengartengruppe und erkennen nach etwa einer Stunde Gehzeit ab Rotwand Hütte bereits in der Ferne die Kölner Hütte unterhalb der Tschagonwand. Nach weiteren 35 Minuten Gehzeit erreichen wir mit einem mühsamen Schlussanstieg nach 6 Stunden Gesamtgehzeit die Kölner Hütte. 4:30 Stunden Gehzeit waren lt. Routenbeschreibung zu erwarten. In der Regel benötigen wir deutlich weniger Zeit als angegeben. Selbst wenn wir auf den Irrwegen unter dem Tschagerjoch 30 Minuten verloren haben sollten, sind immer noch mindestens 60 Minuten Zeitverlust zu konstatieren. Eine plausible Erklärung konnten wir bisher nicht finden. Vielleicht hat es Zwergenkönig Laurin gefallen, uns zu foppen.


Ein Song aus einer von Hape Kerkeling maßgeblich geprägten Kultsendung geht uns durch den Kopf, die zu den wenigen Sternstunden des deutschen Fernsehens zählt:

Das ganze Leben ist ein Quiz
und wir sind nur die Kandidaten.
Das ganze Leben ist ein Quiz
ja, und wir raten, raten, raten.


Technische Daten der Wanderroute

  • Typ: Rundweg
  • Streckenlänge: 15 km
  • Gesamtgehzeit: 6:00 Stunden
  • Absolute Höhendifferenz: ca. 400 m
  • Gesamte Aufstiegsleistung: 763 m
  • Gesamte Abstiegsleistung:  754 m
  • Technische Anforderungen: moderat-anspruchsvoll
  • Konditionelle Anforderungen: moderat+
  • Orientierung und Markierung: Im Abschnitt zwischen Tschagerjoch und Vajolanbecken ist die Orientierung durchweg schwierig. Die wenigen und teilweise verblassten sind eher verunsichernd als hilfreich. An entscheidenden Wegkreuzungen fehlen Hinweise. Sofern Hinweise angebracht sind, ist die Aussagekraft der Hinweise für Ortsunkundige mangelhaft.
  • Wetter und Temperatur: Sonne mit ca. 18 Grad in der Höhe und 27 Grad im Tal
  • Einkehrmöglichkeiten: Kölner Hütte, Rotwand Hütte, Frommer Alm
  • Sonstiges: Wir haben uns an der Routenbeschreibung des Rother Wanderführers „Dolomiten 1“ (9. Auflage 2013) orientiert (Tour 51: „Kleine Rosengartenrunde – Wandervergnügen und Landschaftsgenuss am Weg um die Rotwand“). Den ‚Landschaftsgenuss’ können wir bestätigen, aber das ‚Wandervergnügen’ hält sich in engen Grenzen, weil die Routenbeschreibung schlicht unbrauchbar ist. Sie verwendet zahlreiche Namen oder Bezeichnungen, die für Ortsunkundige nichtssagend sind, da selbst die topographische Tabacco-Wanderkarte 029 „Schlern-Rosengarten“ (Auflage 2010) trotz des Maßstabs 1:25.000 viele der verwendeten Namen nicht enthält. Die Wanderkarte ist darüber hinaus für die Orientierung ebenfalls unzureichend, weil sie zahlreiche Pfade nicht abbildet und darum an Wegkreuzungen keine Standortbestimmung erlaubt.
    Während Franz Hauleitner, Autor des Wanderführers "Dolomiten 1", die Anforderungen der Tour als "mittel" einordnet, klassifiziert Eugen E. Hüsler, renommierter Autor etlicher Wander- und Klettersteigführer für den Raum Südtirol, die relevanten Abschnitte dieser Tour als "schwierig", was u.E. zutrifft. (Bruckmanns Wanderführer, Die 40 schönsten Touren Dolomiten West, Tour 17: Rund um die Rotwand, München 2012). Hüsler beschreibt die Route erheblich bedarfsgerechter als Hauleitner. Unter den angetroffenen Bedingungen ist jedoch auch Hüslers Beschreibung nur eine grobe Skizze.
    Erst im Nachhinein, und darum leider zu spät, erkennen wir, dass Maurizio Capobussi in dem Wanderführer „Rosengarten“ (3. Auflage 2013) die Route sehr gut beschreibt (Tour 28: „Tschagerjoch, Cigolade-, Vajolonpass – Überschreitung von drei Pässen inmitten der Rosengartengruppe“)

Erlebniswert

Eine insgesamt großartige Runde in der bizarren Landschaft des Rosengartens glänzt zusätzlich mit eindrucksvollem Dolomitenpanaroma. In Anbetracht der Gesamtlänge der Runde mit ausgesetzten und oft steilen Passagen dürfte sich das Vergnügen jedoch nur bei erfahrenen und konditionsstarken Wanderern einstellen. Getrübt wird das Vergnügen aufgrund von Orientierungsproblemen, die der Kumulation von schlechter Markierung mit schlechter Routenbeschreibung und schlechter Kartographie geschuldet sind.


Nachtrag

Geologische Untersuchungen erklären die bizarre Morphologie des Rosengartens, wie auch anderer Gebiete der westlichen Dolomiten, aus einer ca. 320 Millionen Jahre zurück reichenden Entstehungsgeschichte. Der Rosengarten ist ein fossiles Korallenriff, das im Übergangszeitraum zwischen Perm und Trias im Flachwasser des Thetys-Meeres in der Nähe des Äquators gewachsen ist. (Link zu einem Artikel im PDF-Format über ("Geologie im Gebiet Schlern-Seiser Alm")

 

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