Den Schweizerischen Nationalpark erreichen wir nur ca. 30 km westlich von Glurns gleich hinter dem Ofenpass. Zwischen Ofenpass und Zernez durchschneidet lediglich die Ofenpassstraße über ca. 20 km das Wildnisgebiet dieses einzigartigen UNESCO-Biosphärenreservat,
in dem weder Dörfer noch Almen zu finden sind und nur eine
bewirtschaftete Hütte mit Übernachtungsmöglichkeiten existiert, die Chamanna Cluozza im wilden Val Cluozza.
Eine beeindruckende Wanderung hat uns vor 2 Jahren auf den Geschmack gebracht (Post 24.08.2017). Heute gehen wir die Tour noch einmal mit Berliner Freunden (Route 17: Margunet). Landschaft und Geologie des Unterengadiner Fensters (auch Engadiner Dolomiten) begeistern uns. Während wir in den verbleibenden 2 Wochen unseres Aufenthalts in Glurns weitere Wanderungen im Nationalpark unternehmen können, müssen sich die Berliner Freunde bis zum Sommer des nächsten Jahres gedulden, weil sie am Tag nach der Wanderung die Rückreise nach Berlin antreten. - Fotoserie
Die Wanderung startet am Parkplatz 8 der Ofenpassstraße in Richtung Val da Stabelchod. Der leichte bis mittelschwere Weg dieser Wanderung (T2) ist als Naturlehrpfad eingerichtet. Am Weg informieren Tafeln über Flora, Fauna und Geologie der Region. Nach ca. 30 Minuten erreichen wir auf exzellent präparierten und markierten Wanderwegen den ersten Rastplatz an der ehemaligen Alp Stabelchod im Val da Stabelchod. Nach bisher nur leichtem Anstieg verspüren wir keinen Pausenbedarf. Jenseits der Lichtung beginnt eine erst kürzlich nach einem Murenabgang im Sommer des vergangenen Jahres eingerichtete neue Wegführung. Über ca. 1,1 km steigt der neue Höhenweg kräftig und mündet im Bereich des Rastplatzes Stabelchod Dadaint wieder in den alten Weg, der in Serpentinen über mehrere felsige Rampen auf den Margunet-Pass führt. Nach 1:20 Std. erreichen wir den Übergang zwischen dem Val da Stabelchod und dem Val dal Botsch in 2.328 m Höhe. Im markierten Bereich des Rastplatzes genießen wir bei einer Rast auf Girlandenrasen (müsste es nicht Wiese heißen?) das trotz eingeschränkter Fernsicht und tiefer Schatten faszinierende Margunet-Panaroma.
(Die Bezeichnung des grasigen Bodenmusters als Rasen scheint eine von vielen sprachlichen Eigenheiten der Schweiz zu sein. Alberts Kinderclub für Grundschulkinder weiß, dass natürlicher, mit Kräutern und Wildblumen vermischter Graswuchs Wiese genannt wird und künstlich angelegte, gepflegte Grasflächen als Rasen bezeichnet werden.)
Der Aufbruch von diesem Aussichtsplatz fällt uns nicht leicht, aber das geplante Nachmittag- und Abendprogramm lässt uns keine andere Wahl. Oberhalb der Baumgrenze schwingt der Weg in einem weiten Bogen nur moderat fallend in das Val dal Botsch. An der Föhrenwald-Baumgrenze erreichen wir nach kurzer steilerer Passage im Talgrund einen Bach, der Schotter und Geröll abwärts transportiert. Die Brücke über den Bach hat eine Lawine weggerissen. Ein Holzbrett ermöglicht die Überquerung des Bachs trockenen Fußes. Die Wegführung im Schotter entlang des Bachs ist problemlos. Nach 1:00 Std. Abstieg treffen wir an der Ofenpassstraße auf den Wanderweg zum Parkplatz 8, den wir nach 10 Minuten erreichen (2:25 Std. Gesamtgehzeit, jeweils ca. 500 m Anstieg und Abstieg).
Erdgeschichtlich datieren Experten die Entstehung von geologischen Formationen der besuchten Region in einen Zeitraum vor 150 - 250 Millionen Jahren, in dem der Superkontinent Pangaea durch plattentektonische Prozesse in die Urkontinente Laurasia und Gondwana aufbrach. Formationen der Region entstanden in der Tiefe einer als Thetys benannten Bucht von Pangea, die sich in der Umgebung des Äquators befand. Bis heute nicht vollständig verstandene komplexe plattentektonische Prozesse verursachen eine Kontinentaldrift, durch die sich seit ca. 135 Millionen Jahren die afrikanische Kontinentalplatte unter die eurasische Kontinentalplatte schiebt. Diese auch noch in der Gegenwart aktiven Prozesse bewirken die Auffaltung der Alpen. Sedimentschichten der Thetys sind mit der Kontinentaldrift nach Norden gewandert. Durch die Auffaltung der Alpen gelangen sie an die Oberfläche und werden von Erosion freigelegt. In den Engadiner Dolomiten schauen wir auf einen erdgeschichtlichen Snapshot, der in Perspektiven menschlicher Lebenszyklen schwer nachvollziehbar ist, demütig stimmt und die eigene Existenz marginalisiert.
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