

Ein sich näherndes Tiefdruckgebiet motiviert zu einer Wanderung in der Umgebung unseres langjährigen Stammquartiers, dem
Falatschhof bei
Glurns im oberen
Vinschgau. Nach der Tour auf den Tellakopf am Vortag (
Post vom 23.08.2018) möchten wir heute 'gemütlich' zwischen
Prad und
Tschengls wandern. Traditionell missrät diese Absicht, wie auch heute. Dank vermeintlicher Ortskenntnisse verzichten wir auf Detailinformationen. Preis der Dummheit sind Umwege und unnötige Anstrengungen, auf einer Route mit ca. 900 Höhenmetern auf ca. 16 km Strecke mit fast 5 Stunden Gehzeit. Nach der Tour sind zwar die Beine schwer, aber Eindrücke und Erlebnisse dieser schönen Runde wiegen deutlich mehr. -
Fotoserie


Wir beabsichtigen, den
Lottersteig (ein 9,2 km langer Rundweg bei
Prad mit 480 m Höhendifferenz) nach
Tschengls zu verlängern. Das Auto parken wir an den Schweinböden oberhalb von
Prad und leihen uns damit zunächst ca. 100 m Höhe, die wir auf dem Rückweg zurückzahlen müssen (mit ungeplanten Zinsen, auf die später einzugehen ist).
Nach ca. 1 Stunde überwiegend moderatem Anstieg (ca. 260 m) durch schattigen Lärchenwald treffen wir beim Platzgernunhof auf zwei brandneue, zur Rast einladende Ruhebänke. Ruhebedarf verspüren wir noch nicht, aber die Bänke wollen selbstverständlich erprobt werden. Wenig später passieren wir die nicht mehr genutzte Naumühle, die ihr Wasser ehemals aus einem inzwischen verrohrten Waal bezog und begegnen einer kleinen Gruppe von Wandern. Weitere Wanderer treffen wir auf unserer Route heute nicht.
Beim Standleierhof verlassen wir den talwärts führenden Lottersteig. Der Runggsteig bietet einen direkten Weg nach
Tschengls ohne viel Profil, wir gehen jedoch den über die
Burgruine Tschenglsberg führenden Weg Nr. 15, auf dem steil ca. 180 m Höhe zu gewinnen sind. Vom Weg Nr. 15 betrachten wir die als 'Hinterburg' bezeichnete
Burgruine Tschenglsberg aus verschiedenen Richtungen und blicken hinab zum Kirchlein
St. Ottilia, an der unserer Rückweg vorbeiführen wird. Absteigend gelangen wir in weiten Bögen nach
Tschengls, ein traditionsbewusstes Dorf abseits von Touristenströmen, das Touristen nicht abschreckt, aber auch nicht anzuziehen versucht. In
Tschengls gehen wir geradewegs zum
Schloss Tschenglsburg, um im Burgrestaurant nach dreistündiger Wanderung einzukehren.

Pächter des Restaurants ist seit 2011
Karl Perfler, der uns im Hof der Burg freundlich begrüßt und sogleich das Gespräch mit uns sucht.
Karl Perfler ist im
Vinschgau eine fast schon berühmte Persönlichkeit mit bunt schillerndem Profil. Der ehemalige Hüttenwirt und Wanderführer versteht sich nicht als 'Wirt', sondern als Heimatforscher, Bewahrer Südtiroler Kultur, Lebensphilosoph, visionärer Traumjäger und Vermittler einer heilen und alle Menschen nährenden Welt. In der
Tschenglsburg betreibt
Karl Perfler kein Restaurant, sondern ein 'Kulturgasthaus', in dem er für interessierte Menschen Ausstellungen, Lesungen, Konzerte, Filmabende, Gesprächskreise etc. organisiert.


Die kulinarische Versorgung mit traditionellen Südtiroler Gerichten kommt nicht zu kurz. Unsere Frage nach Kuchen stößt jedoch ins Leere.
"Wir haben keinen Kuchen, weil es in Tschengls keinen Tourismus gibt. Die Tschenglser backen ihren Kuchen selbst." Immerhin werden traditionelle Vinschger
Kirchtagskrapfen mit Marillen- und Mohnfüllung angeboten. Krapfen sind ein ehemaliges Festtags-Dessertgebäck, dass es früher nur 2x im Jahr im
Vinschgau gab, erklärt
Karl Perfler. Die Krapfen sind gut, der Salat mit Putenbrust ebenfalls. Während wir uns als exotische Besucher stärken, strömen nach und nach immer mehr Gäste in den Burghof, lauter Einheimische, fast ausschließlich Männer, alle kennen sich. Vermutlich verbringen sie hier ihre im
Vinschgau sakrosankte Mittagspause. Später finden noch zwei ortsfremde Männer den Weg in den Burghof. Sie wollen für sich bleiben und sitzen abseits.
Gestärkt treten wir den vermeintlich deutlich kürzeren und flacheren Rückweg an, den wir an der
Pfarrkirche Mariä Geburt für eine Besichtigung unterbrechen. Unser Wanderweg Nr. 7 ist ein Abschnitt des
Südtiroler Jakobswegs und führt am Kirchlein
St. Ottilia inmitten von Obstplantagen vorbei. Die Kirche ist verschlossen, aber ihre kulturhistorische Bedeutung ist ohnehin nicht herausragend.
Auf halbem Weg zwischen
Tschengls und
Prad tauschen wir Orientierung gegen Chaos. Kurz vor dem Nickkreuz verzweigen wir auf den als Naturlehrpfad gestalteten unteren Abschnitt des
Lottersteigs, um zum Parkplatz an den Schweinböden aufzusteigen. Wir verpassen eine Verzweigung, steigen immer weiter auf und erkennen nach fast 300 m Anstieg, dass wir uns wieder auf dem oberen Abschnitt des Hinwegs befinden. Den weiten Bogen durch die Tschrinbach-Schlucht möchten wir vermeiden und suchen nach einer Abkürzung auf dem Höfeweg, der uns jedoch weit hinunter führt, sodass wir anschließend zum profilierten Naturlehrpfad erneut aufsteigen müssen. Als sich nach fünfstündiger Wanderung die Runde schließt, sind wir müde und durchaus auch frustriert über eigene Dummheit. Trotzdem werten wir die Runde ausgesprochen positiv und nehmen uns vor, sie im nächsten Jahr wieder zu gehen, aber dann mit mehr 'Köpfchen'.
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