Montag, 1. Mai 2017

Feuersteinfelder, dynamische Landschaften, Heiligtümer und Tourist Traps an Rügens Ostküste

Blick von Vitt zur Steiküste am Kap Arkona Feuersteinfeld in der Schmalen Heide Megalithanlage Großsteingrab Nobbin, Sprockhoff-Nr. 466)

Heute wandern wir zur Steilküste Kap Arkona auf der Halbinsel Wittow im Nordosten von Rügen. Das als Flächendenkmal geschützte Kap ist nicht nur ein imposanter, sondern auch ein geschichtsträchtiger Ort, den täglich viele Menschen besuchen. Das von Besucher-PKW's verursachte Verkehrsaufkommen hat Maßnahmen zur Verkehrssteuerung und zur weiträumigen Verkehrsberuhigung des Kaps motiviert, was prinzipiell zu begrüßen ist, ahnungslose Besucher jedoch in eine perfekt organisierte 'Tourist Trap' geraten lässt.(1) Wir sind nicht ahnungslos und lassen uns nicht in die Tasche greifen. Ehe die 'Tourist Trap' zuschnappt, stellen wir das Auto (kostenlos) am Rand des Ortes Juliusruh ab.(2) Auf aussichtsreichen Wegen entlang der Ostseeküste passieren wir die Megalithanlage des Großsteingrabs Nobbin und das Fischerdorf Vitt, bis wir nach 2-stündiger Wanderung das Kap Arkona erreichen.
Auf halbem Weg zwischen unserem Ferienwohnsitz auf der Halbinsel Mönchgut und dem Tagesziel unterbrechen wir die Anreise, um in der Schmalen Heide, eine Nehrung zwischen den Orten Binz und Sassnitz, ein Naturschutzgebiet mit Feuersteinfeldern zu besichtigen.

Feuersteinfelder in der Schmalen Heide - Fotogalerie Feuersteinfelder
Wacholderbusch in einem Feuersteinfeld der Schmalen Heide Wer mit dem Auto anreist und Empfehlungen zum Parkplatz Feuersteinfelder folgt, landet auf einem selbstverständlich kostenpflichtigen Parkplatz mit Imbiss- und Souvenirstand. Wir fahren ein kurzes Stück weiter nach Norden und parken kostenlos auf dem Zubringer zur Ferienanlage Weiße Möwe, von der ein beschildeter Wanderweg in 30 Minuten zu Feuersteinfeldern führt. In einer Heidelandschaft mit Kiefern und Wacholderbüschen und breiten sich über mehr als 1 km in Nord-Süd-Richtung auf ca. 40 ha Fläche von Vegetationsinseln unterbrochene Feuersteinfelder aus.(3)






Feuersteinsammlerin in der Schmalen Heide Auf dem ersten Blick lassen Geröllfelder der Schmalen Heide an ein trockenes Flußbett denken. Die Entstehung von Feuersteinen ist nicht vollständig geklärt. Größere Vorkommen sind in jura- und kreidezeitlichen Ablagerungen unter ehemals maritimen Bedingungen zu finden und demnach vor 70 -200 Millionen Jahren entstanden. Gletscher von Eiszeiten haben diese Ablagerungen nach Rügen transportiert. Ihre Verfrachtung zur Schmalen Heide ist auf landschaftsformende dynamische Kräfte zurückzuführen, die auf die Rügener Küstenlandschaft einwirken. Feuersteinknollen waren zunächst in Kreidesedimenten eingebettet. Durch Erosion werden sie aus der weicheren Kreide herausgelöst und lagern sich an Stränden ab. Stürme und Sturmfluten verfrachteten Feuersteinknollen vom Strand der Halbinsel Jasmund in die Schmale Heide und lagerten sie vor 3000-4000 Jahren dort ab.


Feuersteine in der Schmalen Heide Äußerlich haben Feuersteinknollen eine weiße Kruste. Aufgebrochen zeigen sie eine dunkelgraue bis schwarze Färbung, die durch Eisenoxyde Rot-, Gelb- und Brauntöne annehmen kann. Flächen an frischen Bruchstellungen wirken glasig. Mit Verwitterung werden aufgebrochen Knollen zunehmend milchig.









Megalithanlage des Großsteingrabs Nobbin - Fotogalerie Großsteingrab
Megalithanlage Großsteingrab Nobbin, Sprockhoff-Nr. 466) Unsere Wanderung entlang der Küste zum  Kap Arkona führt an der jungsteinzeitlichen Megalithanlage des Großsteingrabs Nobbin vorbei. Das faszinierende prähistorische Denkmal trifft auf kein erkennbares Besucherinteresse. Die Besichtigung ist daher kostenlos, völlig ungehindert und frei von merkantilen Interessen zu genießen. Eine vorbeiradelnde Gruppe nutzt lediglich den Picknickplatz an der prähistorischen Sehenswürdigkeit für eine Pause, ohne dem Objekt und erläuternden Tafeln Aufmerksamkeit zu schenken.






Fischerdorf Vitt und Kap Arkona, 'Tourist Traps' im Norden von Rügen - Fotogalerie Kap Arkona
Fischerdorf Vitt beim Kap Arkona Ca. 1,5 km vor Kap Arkona erreichen wir das denkmalgeschützte Fischerdorf Vitt. Vom malerischen Dorf blicken wir zur Steilküste am Kap Arkona, 2 Trümpfe, die Vitt zu vermarkten weiß. Das Dorf präsentiert sich als eine von Besuchern überschwemmte dichte Sammlung von Imbissen und Souvenierläden. Ausblicke teilen wir mit zahlreichen Besuchern, von denen viele das Dorf und die Küste lediglich als Kulisse für eigenes Posing nutzen. Wir fragen uns, ob am Dorf liegende Boote lediglich Deko sind oder tatsächlich noch für den Fischfang genutzt werden. Die Ausrichtung der wirtschaftlichen Schwerpunkte ist jedenfalls offensichtlich und den Bewohnern nicht zu verdenken. Die Auswirkungen machen das Dorf zu keinem Platz, an dem wir verweilen möchten.

 

Leuchtturm und Schinkelturm am Kap Arkona Noch krasser entwickelt sich die Szene am Kap Arkona. Das auf dem Weg von Vitt noch spannend anmutende Kap entfaltet vor Ort abstoßende Kräfte. Das zur DDR-Zeit unterbunkerte militärische Sperrgebiet lebt von einem mythischen Namen, den in der Gegenwart nur noch Kulissen und Plakate zwischen kommerziellen Angeboten repräsentieren, die wir als 'Schrott' einordnen. Vom ehemaligen bedeutendsten Slawenheiligtum der Ranen sehen wir nur Reste eines wenig beeindruckenden Burgwalls der ehemaligen Jaromarsburg. Auf einer Bank verzehren wir mit Blick auf den Schinkelturm unsere mitgeführten belegten Brote, ehe wir den Rückweg dieser hoch interessanten Wanderung über das Dorf Putgarten antreten. (3 Stunden Gehzeit)



Anmerkungen
  1. Die Anreise mit dem PKW zum Kap endet vor dem Dorf Putgarten auf einem kostenpflichtigen Großparkplatz. Bereits am Parkplatz befindet sich eine umfangreiche touristische Infrastruktur mit Gastronomie, Fahrradverleih, Souvenirverkauf und selbstverständlich kostenpflichtigen Toiletten.
    Fußlahme können den Weg zum ca. 2 km entfernten Kap oder zum 1,2 km entfernten Fischerdorf Vitt mit der selbstverständlich kostenpflichtigen Kap-Arkona-Bahn zurücklegen.
    Sowohl in Vitt als auch am Kap Arkona dominieren Restaurants, Imbisse und Souvenirstände die Szene. Während Vitt sich immerhin pittoresk zeigt und die Steilküste des Kaps vom Dorf zu sehen ist, gibt sich die touristische Infrastruktur zwischen den beiden Leuchttürmen und dem Marinepeilturm am Kap nicht einmal die Mühe einer gefälligen Ansehnlichkeit.
    Angeblich aus Sicherheitsgründen wegen Landabbrüchen am Kap ist bereits seit einigen Jahren der Zugang zum Plateau gesperrt, auf dem sich ehemals die Jaromarsburg mit dem zentralen Heiligtum des slawischen Stamms der Ranen befand. Zu sehen sind daher nur Reste des ehemaligen slawischen Burgwalls und ein Kassenhäuschen, an dem vor der Sperrung Besucher des Plateaus abkassiert wurden, obwohl keine Reste des Slawenheiligtums erhalten sind.
    Wer am Kap einen ungehinderten Blick auf die Steilküste erwartet, wird enttäuscht. Blicke auf die Ostsee erlauben lediglich Aussichtsdecks des Leuchtturms oder des Marinepeilturms, deren Besuch selbstverständlich kostenpflichtig ist.
  2. Offizielle kostenlose Parkplätze sind auf Rügen selten und nur in touristisch wenig frequentierten Regionen und/oder mit zeitlichen Einschränkungen zu finden. 
  3. Mit Hilfe von Feuersteinen lassen sich Funken schlagen, die zum Feuermachen genutzt werden können und darum zur Namensgebung dieser Gesteinsart geführt haben. In der Steinzeit wurde Feuerstein zur Herstellung von Waffen und Werkzeugen verwendet. 

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