Donnerstag, 30. April 2015

Wanderung am Prerowstrom zwischen Darß und Zingst auf Spurensuche nach Hertesburg, Störtebeker, Vitalienbrüder

Prerowstrom
Am letzten Tag unseres diesjährigen Aufenthaltes auf dem Darß unternehmen wir bei wechselhaftem Wetter eine kurze Wanderung am Prerowstrom zur Hertesburg, eine ehemalige slawische Burgwallanlage, die vermutlich der letzte slawische Rügenfürst Wizlaw III. im 13. Jahrhundert zur militärischen Kontrolle von Ostseezugängen errichteten ließ. Lokale Legenden sprechen von 'Störtebekers Burg'. Dass Klaus Störtebeker, Mitglied der anarchisch organisierten Bruderschaft Vitalienbrüder(1,2), mit seiner Crew die Hertesburg als Rückzugsort nutzte, ist nicht auszuschließen, aber so wenig historisch gesichert wie die legendäre Hinrichtung der gesamten Mannschaft am 21. Oktober 1401 in Hamburg. Angesichts der Quellenlage gilt selbst die Identität der Person als unsicher.
In Karten ist die Hertesburg vermerkt, touristisch ist die Anlage eine Brache. Wir erwarten keine spektakulären Eindrücke, vermissen jedoch Hinweise oder Wegweiser zum Ort. Einen Parkplatz an der Bundesstraße zwischen Prerow und Zingst vermuten wir als geeigneten Startort. Die Werbetafel der Herberge an der Hertesburg stimmt zuversichtlich. Entlang des Prerowstroms wandern wir dem vermeintlichen Ort der Hertesburg entgegen. Diashow der Fotoserie

Hertesburg-Presbyterium des Neutempler-Ordens
Kapelle des Neutempler-Ordens
Wir passieren einen landwirtschaftlichen Hof und stehen nach 15 Minuten Gehzeit vor der Zufahrt zur Herberge an der Hertesburg, eine Ferienanlage für Gruppen. Das Tor zum Privatgelände ist offen, der Zutritt ist jedoch für "Unbefugte verboten". Die Hertesburg vermuten wir im Gelände der Anlage. Auf dem menschenleeren Grundstück können wir keine Befugnis zum Betreten einholen und schreiten mutig durch das Gelände. Hinter dem Haus ist zwischen wucherndem Gestrüpp eine von einem Graben umgebene Hütte zu erkennen. Die Hütte ist verschlossen. Informationen zum Objekt sind vor Ort nicht zu finden. Später ermitteln unsere Recherchen, dass es sich um die Kapelle eines dubiosen religiös-arisch-rassistischen Neutempler-Ordens handelt, der 1926 das Gelände als Ordenszentrum erwarb und 1927 diese Hütte als Heiligtum weihte. Von der historischen Burganlage sind nur der Graben, ein flacher Burghügel und ein ebenfalls flacher Burgwall zu erahnen.(3) Gebäude der historischen Burganlage sind abgetragen. Spätere Generationen nutzten die Gebäude als Steinbruch.

Linienverkehr auf dem Prerowstrom
Ein schmaler Pfad auf dem Deich am Prerowstrom ist unser Rückweg zur Bundesstraße. 'Motorschiff Heidi' pflügt sich scheinbar durch ein Schilfmeer zum Bodstedter Bodden. Ähnlich mag vielleicht Klaus Störtebekers Kogge 'Godewind' vor mehr als 600 Jahren den Prerowstrom befahren haben.
Um zum Parkplatz zurückzukehren, bieten sich je nach Wetterlage der Ostseedeich oder der Nordstrand an. Nach 1:15 Std. Gesamtgehzeit ist die Runde beendet.







 
Anmerkungen
  • (1) Als Vitalienbrüder(2) wird eine unabhängige seefahrende Söldnertruppe im Ostseeraum bezeichnet, die im 14. Jahrhundert Kriegsherren ihre Unterstützung insbesondere im Konflikt zwischen Dänemark und Mecklenburg auf eigene Rechte andienten und sich mittels durch Kaperbriefe legalisierte Kaperfahrten finanzierte. Solche vom Kriegsrecht gedeckten Kaperfahrten widersprachen kaufmännischen Interessen des immer mächtiger werdenden Bundes der Hanse sowie Interessen des Deutschen Ordens im Baltikum. Mit dem Friedensschluss von Skanör und Falsterbo vom 20.05.1395 verpflichteten sich Dänemark, Mecklenburg, Hanse und Deutscher Orden zur Einstellung von Feindseligkeiten. Die Vitalienbrüder wurden aus der Ostsee in die Nordsee vertrieben, wo sie sich mit friesischen Häuptlingen verbünden. Die  Hanse unternimmt zunächst relativ erfolglos mehrere Strafexpeditionen gegen Vitalienbrüder und ihre Verbündeten. Ab 1400 forciert Hamburg den Kampf gegen Piraterie mit durchschlagenden Erfolgen. Nach 1435 sind Vitalienbrüder in der Geschichtsschreibung nicht mehr präsent. 
  • (2) Der Name der Bruderschaft ist vermutlich aus dem französischen Begriff 'vitailleurs' abgeleitet, der im Hundertjährigen Krieg Truppen bezeichnete, die das Heer mit 'Viktualien' (Lebensmittel) versorgten. Die Bezeichnung als 'Bruderschaft' bezieht sich auf eine selbstbestimmte soziale Organisation, die sich von der Versorgung durch Auftraggeber unabhängig machte und, im Unterschied zur streng hierarchisch strukturierten feudalen sozialen Organisation im Mittelalter, allen Beteiligten ein Mitspracherecht gewährte sowie Beute zu gleichen Teilen aufteilte. 
  • (3) Ein Beitrag von Daniel Nösler im Sammelband 5 (2009) der 'Leipziger Forschungen zur Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie' dokumentiert den aktuellen Stand des Wissens: Vineta und Rethra? Zur Rezeptionsgeschichte einer mittelalterlichen Burganlage auf dem Darß   

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