Vom Wanderparkplatz Kühhude gehen wir einen 2,5 km langen Abstecher zur Ranger-Station-Schanze, an der ein ca. 1000 m langer
Kyrill-Pfad beginnt. Am 18. Januar 2007 zerstörte der
Orkan Kyrill u. a. große Waldflächen in Südwestfalen. Bei
Schanze (Ortsteil von Schmallenberg) wurde eine landeseigene Fläche nach dem Sturm sich selber überlassen. Besucher sehen, wie sich der Wald regeneriert und Pflanzen die Fläche zurückerobern.
Der Krummstab bei Schanze - EINE ALLZU GROSSE MACHT STUERZT DURCH IHRE EIGENE MASSE
Der Krummstab zählt zu den bischöflichen Insignien der römisch-katholischen Kirche. 1072 wurde er als Mahnung zur Fürsorge an die Benediktiner-Abtei Kloster Grafschaft verliehen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde er mehr und mehr zum Zeichen der kirchlichen Macht. Mit der Enteignung kirchlicher Güter im Rahmen der Säkularisation 1803 gingen dieser weltliche Einfluss – und mit ihm der Krummstab des Klosters – verloren. Für die Errichtung der Skulptur, die eine weithin sichtbare Landmarke auf dem Weg zwischen Schmallenberg und Bad Berleburg bildet, wurden 2.613 kg Aluminium verarbeitet.
Kein leichtes Spiel
Die fast vier Meter hohe und knapp 64 t schwere Stahlskulptur „Kein leichtes Spiel“ von Ansgar Nierhoff steht auf dem Rothaarkamm als überraschendes Zeichen mitten im Wald für den Konflikt zwischen den über Jahrhunderte territorial, sprachlich, kulturell und konfessionell getrennten Regionen Sauerland und Wittgenstein. Eine massive Stahlwand ist in ein großes zentrales Tor, zwei kleinere Tore und zwei Blöcke aufgelöst worden. Der Betrachter kann sehen: alle Teile passen ineinander, schaffen ein Drinnen und Draußen und fordern zum Begehen auf. Der Dialog zwischen den Einzelformen der Skulptur wird durch den Dialog mit dem sie umgebenden Raum, der Natur, vervielfacht. Dieser Kontrast ermöglicht Entdeckungen, Vergleiche und Erinnerungen, für jeden Besucher verschieden. Der so bezeichnete Ort, unweit einer Wegekreuzung an alten Grenzen, lässt Wanderer an der Gemeinsamkeit der ehemals entzweiten Regionen und der Überwindung von Grenzen teilhaben.
Stein-Zeit-Mensch
Fast wie ein archaischer Tempel wirkt die im Jahr 2001 geschaffene Skulptur „Stein-Zeit-Mensch“ des Künstlers Nils-Udo: Mitten im Wald bei Kühhude liegt ein riesiger Felsquader, der von einer monumentalen Baumstammarchitektur umrahmt wird. Der Quarzit-Monolith bringt nahezu 150 t auf die Waage und bildet eingebunden in die stille Erhabenheit des Waldes ein Denk- und Mahnmal seiner selbst: seiner Größe, seiner zeitlosen Erdverbundenheit und seiner Einmaligkeit. Dieser mächtigen Einheit ausgesetzt, erfährt der Wanderer seine eigene Zeitlichkeit und Verletzlichkeit. Die Baumstammarchitektur ist 2014 erneuert worden. Die mächtigen Weißtannenstämme (Länge: 12 m, Breite: 8,70 m, Höhe: 4,70 m) mit einem Durchmesser von ca. 90 – 100 cm aus dem Südschwarzwald mussten aus Sicherheitsgründen ersetzt werden, da sie durch Baumpilze bis in ihren Kern hinein durch Fäule zersetzt waren.
Sprachgrenze Rothaargebirge
In der Umgebung der Skulptur
Stein-Zeit-Mensch dokumentiert eine Tafel neben der Rekonstruktion eines historischen Grenzsteins, dass die politisch-kulturelle Grenze des
Kölschen Hecks am Rothaarkamm zugleich eine Sprachgrenze bildete.
Hängebrücke bei Kühhude
Die 40 m lange Hängebrücke zählt nicht zu den Objekten des Skulpturen-Weges, obwohl sie durchaus ein 'nutzloses Kunstobjekt' darstellt. Die von der Brücke überwundene Schlucht kann nämlich auf einer kurzen Schleife umgangen werden.
The Monument of the lost Falcon
Der Umweltkünstler Alan Sonfist verknüpft in seinen zur Land-Art gerechneten Arbeiten natur- und kulturhistorische Elemente, um so die Eingriffe des Menschen in die Natur zu verdeutlichen. Hier bildet er den Schattenriss eines schwebenden Falken, monumental vergrößert, auf dem Waldboden ab. Den Umriss bildet ein etwa einen Meter hoher Erdwall, der mit Setzlingen der Europäischen Lärche bepflanzt ist. Auf der Innenseite der Kontur wurden etwa 350 weitere Pflanzen gesetzt, die zur ursprünglichen, heute weitgehend verloren gegangenen Vegetation dieser Landschaft gehörten. So soll auf dieser kleinen, durch den Erdwall geschützten Fläche ein natürlicher Wald entstehen. Nach außen führt um den Umriss des Falken ein mit grauem Schieferschutt gefüllter, zwei Meter breiter Weg herum, der zum angrenzenden Wald hin mit einem Drahtzaum abgeschirmt ist. Wie eine künstlerisch gestaltete und doch naturbelassene Insel inmitten der forstwirtschaftlich genutzten Waldfläche wirkt das Erdbauwerk, das zur Gänze nur aus der Vogelperspektive von den benachbarten Höhen aus zu sehen ist.
In seiner Arbeit bezieht sich der Künstler auf den Wanderfalken, der hier über 100.000 Jahre lebte, nun aber nicht mehr vorkommt, ähnlich wie viele der in seinem Umriss angepflanzten Setzlinge. Er deutet damit nicht nur auf das Verschwinden dieser Spezies hin, sondern auch auf die verlorengegangene Einheit von Mensch und Natur. Der Falke als seit Jahrtausenden domestizierter Jagdvogel ist auch ein Symbol für diese traditionelle symbiotische Beziehung. Auch der Erdwall, der den Umriss des Vogels bildet, ist ein Hinweis auf die Frühgeschichte: Keltische Wallburgen, die als erste Siedlungsspuren (um 700 v. Chr.) in dieser Region zu finden sind, verfügten als Schutzanlagen über ähnliche Erdwälle.
Die Grünstation
Die Grundform eines Hauses, bestehend aus Wänden und Satteldach, setzt die Künstlerin Gloria Friedmann so in ein Waldstück, dass der gewachsene Baumbestand erhalten bleibt und ungehindert durch die kreisförmigen Öffnungen in der Dachfläche hindurch weiterwachsen kann. Zudem bleibt eine Giebelwand des Hauses offen. So erinnert das bis auf die Baumöffnungen fensterlose, grün gestrichene Bauwerk eher an einen Unterstand als an ein Wohnhaus. Der freie Blick in das Gebäudeinnere verdeutlicht: Es ist kein Haus, sondern die Skulptur eines Hauses. Auch die rudimentäre, auf vier Holzquader beschränkte „Einrichtung“ zeigt, dass menschliche Grundbedürfnisse in ihr Verhältnis zur umgebenden Natur gesetzt werden. Die Hütte bietet dem Wanderer „ein Dach über dem Kopf“, nicht viel mehr, und doch auch eine Möglichkeit, das Verhältnis des Menschen zur Natur in direkter Weise zu erleben und zu reflektieren.
In der Gegenwart wachsen durch das Dach jedoch keine Fichten, weil sie nach Stürmen gefällt werden mussten. Aktuell stellt sich der im 19. Jahrhundert begonnene Anbau von Fichten als ein fehlerhafter Eingriff von Menschen in die Natur dar, dem im Sauerland ein großes Waldsterben geschuldet ist.
Baumsterben im Sauerland
Aus wirtschaftlichen Gründen wurden nicht nur in dieser Region seit dem 19. Jahrhundert Fichten-Monokulturen angebaut und bewirtschaftet. Dem Klimawandel mit seinen verstärkt auftretenden Stürmen, Trocken- und Hitzeperioden sind diese Monokulturen nicht gewachsen. Den Rest erledigen Borkenkäfer. In der Gegenwart prägen abgestorbene oder gerodete Fichtenbestände das Landschaftsbild. Die Laubbaum-Aufforstung ist ein Langzeitprojekt, das an vielen Orten noch nicht begonnen hat. Aufgrund der Waldsituation verläuft unserer Wanderweg auf der zweiten Hälfte auf längeren Abschnitten schattenlos durch unerwartet apokalyptisch anmutende
Kultur-Landschaften.
Was war zuerst? (Hommage an Brancusi)
Aus der Entfernung zunächst als gleißend heller Lichtreflex unbestimmter Form wahrgenommen, erkennt der sich nähernde Wanderer bald ein überdimensionales goldenes Ei auf einer kleinen Lichtung nahe am Waldrand. Diese zunächst märchenhaft-surreale Situation erscheint bei näherer Betrachtung als vielschichtige skulpturale Intervention der Künstlerin Magdalena Jetelová.
Mit dem monumentalen goldenen Ei erfährt dessen Umgebung eine vollkommene Neuausrichtung. Die sich erstreckende Landschaft erhält plötzlich eine zielgerichtete Orientierung auf das Kunstwerk hin, der Landschaftsraum wird zum Kunstraum. Kaum ein Wanderer, der von Weitem die Lichtreflexe bemerkt, wird sich diesem Sog entziehen können. Das Ei als Symbol des Lebens, seiner Entstehung und seines Kreislaufes, tritt auch inhaltlich in Beziehung zur umgebenden Natur. Die Frage, die im Titel des Werkes aufgeworfen wird, wird sich auch in diesem Kontext von Licht, Natur, Raum und Kunstwerk nicht beantworten lassen.
Leichter feststellen lässt sich die künstlerische Bezugnahme auf die Skulptur „Der Weltenanfang“ von Constantin Brancusi aus den 1920er Jahren, ebenfalls eine liegende glänzende Eiform, die hier zu monumentaler Größe entwickelt und in den Naturkontext eingebracht eine Bedeutungssteigerung erfährt. - Constantin Brancusi:
Le commencement du monde, 1924
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