Samstag, 13. August 2022

Waldskulpturenweg zwischen Schanze und Bad Berleburg

Tafel in Kühhude Wanderin am Wegweiser in Kühhude Wanderer auf 'Franks Bank' am Wanderweg

Vor 2 Jahren sind wir den gesamten Rothaarsteig von Brilon nach Dillenburg durch das namensgebende Rothaargebirge gewandert (Post: 150 km hart, härter, Sauerländer - Wanderung des Rothaarsteigs in 8 Etappen von Brilon nach Dillenburg, 12.- 21.07.2020). Das Rothaargebirge ist der nordöstliche Teil des vor 299 bis 419 Millionen Jahren entstandenen rechtsrheinischen Schiefergebirges. Auf der 4. Etappe des Fernwanderwegs sind wir am Kammweg des Rothaargebirges auf den uns zuvor unbekannten WaldSkulpturenWeg zwischen Schmallenberg und Bad Berleburg aufmerksam geworden, der auf seiner 25 Kilometer-Route einen kurzen Abschnitt parallel zum Rothaarsteig verläuft. Von international renommierten Künstlern entworfene Objekte des Kunstwegs reflektieren das Verhältnis von Mensch und Natur sowie die wechselvolle Kulturhistorie des Sauerlands, die Konflikte zwischen dem protestantischen märkischen Sauerland und dem katholischen kurkölnischen Sauerland prägten. Betrachten konnten wir nur 3 von insgesamt 11 Objekten und das auch noch bei mehr oder weniger starkem Regen. Damals haben wir uns eine gezielte Wanderung auf dem Kunstwanderweg vorgenommen, die wir heute angehen (ca. 16 km, 4:20 Std. Gehzeit). - Fotoserie

 
Prolog
 
Kühhude
Logistische Probleme beschränken unsere Wanderung auf 6 der 11 Objekte des Kunstweges. Weil die Verbindung von Köln nach Schmallenberg per ÖPNV ungünstig ist, ziehen wir Bad Berleburg als Standort vor. (Das Abenteuer der Reise nach Bad Berleburg beschreibt der Post Kurzreise nach Bad Berleburg, Kleinstadt-Perle im südwestfälischen Kreis Siegen-Wittgenstein.) Um den gesamten Kunstweg zwischen Schmallenberg und Bad Berleburg über 25 km zu gehen, benötigen wir einen Transfer nach Schmallenberg. Im ÖPNV ist ein Transfer nur auf Umwegen mit mehreren Umstiegen und mindestens 3 oder mehr Stunden Fahrzeit möglich. Wir könnten um 10:30 Uhr ein Wandertaxi von Bad Berleburg nach Schmallenberg nutzen, aber für eine Wanderroute von 25 km ist ein Start um 11:00 Uhr bei bis zu 30 Grad zu spät. Daher nutzen wir die Optionen eines samstags um 9:45 Uhr verkehrenden Wander-Taxis von Bad Berleburg zum Wanderparkplatz Kühhude und gehen nur ca. 2/3 der Strecke.

 
Kyrill-Pfad bei Schanze
 
Kyrillpfad bei Schanze Kyrillpfad bei Schanze Kyrillpfad bei Schanze
 
Vom Wanderparkplatz Kühhude gehen wir einen 2,5 km langen Abstecher zur Ranger-Station-Schanze, an der ein ca. 1000 m langer Kyrill-Pfad beginnt. Am 18. Januar 2007 zerstörte der Orkan Kyrill u. a. große Waldflächen in Südwestfalen. Bei Schanze (Ortsteil von Schmallenberg) wurde eine landeseigene Fläche nach dem Sturm sich selber überlassen. Besucher sehen, wie sich der Wald regeneriert und Pflanzen die Fläche zurückerobern.


Der Krummstab bei Schanze - EINE ALLZU GROSSE MACHT STUERZT DURCH IHRE EIGENE MASSE
 
Inschrift an der Skulptur 'DerKrummstab' von Heinrich BrummackSkulptur 'DerKrummstab' von Heinrich BrummackAuf Höhe des Kyrill-Pfads treffen Wanderer auf die Skulptur Der Krummstab des Bildhauers Heinrich Brummack. An der 7,50 m hohen Skulptur lädt ein Zitat von Martin Luther zum Nachdenken ein. Beschreibung der Skulptur im Zitat:  
Der Krummstab zählt zu den bischöflichen Insignien der römisch-katholischen Kirche. 1072 wurde er als Mahnung zur Fürsorge an die Benediktiner-Abtei Kloster Grafschaft verliehen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde er mehr und mehr zum Zeichen der kirchlichen Macht. Mit der Enteignung kirchlicher Güter im Rahmen der Säkularisation 1803 gingen dieser weltliche Einfluss – und mit ihm der Krummstab des Klosters – verloren. Für die Errichtung der Skulptur, die eine weithin sichtbare Landmarke auf dem Weg zwischen Schmallenberg und Bad Berleburg bildet, wurden 2.613 kg Aluminium verarbeitet.

 
 
Kein leichtes Spiel

Die fast vier Meter hohe und knapp 64 t schwere Stahlskulptur „Kein leichtes Spiel“ von Ansgar Nierhoff steht auf dem Rothaarkamm als überraschendes Zeichen mitten im Wald für den Konflikt zwischen den über Jahrhunderte territorial, sprachlich, kulturell und konfessionell getrennten Regionen Sauerland und Wittgenstein. Eine massive Stahlwand ist in ein großes zentrales Tor, zwei kleinere Tore und zwei Blöcke aufgelöst worden. Der Betrachter kann sehen: alle Teile passen ineinander, schaffen ein Drinnen und Draußen und fordern zum Begehen auf. Der Dialog zwischen den Einzelformen der Skulptur wird durch den Dialog mit dem sie umgebenden Raum, der Natur, vervielfacht. Dieser Kontrast ermöglicht Entdeckungen, Vergleiche und Erinnerungen, für jeden Besucher verschieden. Der so bezeichnete Ort, unweit einer Wegekreuzung an alten Grenzen, lässt Wanderer an der Gemeinsamkeit der ehemals entzweiten Regionen und der Überwindung von Grenzen teilhaben.


Stein-Zeit-Mensch

Skulptur 'Stein - Zeit - Mensch' von Nils-Udo Zitat zur Skulptur Stein-Zeit-Mensch von Nils-Udo:  
Fast wie ein archaischer Tempel wirkt die im Jahr 2001 geschaffene Skulptur „Stein-Zeit-Mensch“ des Künstlers Nils-Udo: Mitten im Wald bei Kühhude liegt ein riesiger Felsquader, der von einer monumentalen Baumstammarchitektur umrahmt wird. Der Quarzit-Monolith bringt nahezu 150 t auf die Waage und bildet eingebunden in die stille Erhabenheit des Waldes ein Denk- und Mahnmal seiner selbst: seiner Größe, seiner zeitlosen Erdverbundenheit und seiner Einmaligkeit. Dieser mächtigen Einheit ausgesetzt, erfährt der Wanderer seine eigene Zeitlichkeit und Verletzlichkeit. Die Baumstammarchitektur ist 2014 erneuert worden. Die mächtigen Weißtannenstämme (Länge: 12 m, Breite: 8,70 m, Höhe: 4,70 m) mit einem Durchmesser von ca. 90 – 100 cm aus dem Südschwarzwald mussten aus Sicherheitsgründen ersetzt werden, da sie durch Baumpilze bis in ihren Kern hinein durch Fäule zersetzt waren.

Sprachgrenze Rothaargebirge

Grenzstein am Kammweg des Rothaargebirges Tafel zur Kultur- und Sprachgrenze am Kammweg des Rothaargebirges Grenzstein am Kammweg des Rothaargebirges

In der Umgebung der Skulptur Stein-Zeit-Mensch dokumentiert eine Tafel neben der Rekonstruktion eines historischen Grenzsteins, dass die politisch-kulturelle Grenze des Kölschen Hecks am Rothaarkamm zugleich eine Sprachgrenze bildete.
 
 
Hängebrücke bei Kühhude

Hängebrücke am RothaarsteigZugang zur Hängebrücke am Rothaarsteig Die 40 m lange Hängebrücke zählt nicht zu den Objekten des Skulpturen-Weges, obwohl sie durchaus ein 'nutzloses Kunstobjekt' darstellt. Die von der Brücke überwundene Schlucht kann nämlich auf einer kurzen Schleife umgangen werden.









The Monument of the lost Falcon

Aktueller Eindruck am 'Momument des verschollenen Falken", Skulptur von Alan SonfistTafel zum 'Momument des verschollenen Falken", Skulptur von Alan SonfistDer US-amerikanische Künstler Alan Sonfist hat die Land-Art-Skulptur The Monument of the lost Falkon als ein vergängliches Werk konzipiert. Die Kontur der 2005 erstellten Falken-Skulptur ist verschwunden. Die Natur hat den Platz zurückerobert. Zitat: 
Der Umweltkünstler Alan Sonfist verknüpft in seinen zur Land-Art gerechneten Arbeiten natur- und kulturhistorische Elemente, um so die Eingriffe des Menschen in die Natur zu verdeutlichen. Hier bildet er den Schattenriss eines schwebenden Falken, monumental vergrößert, auf dem Waldboden ab. Den Umriss bildet ein etwa einen Meter hoher Erdwall, der mit Setzlingen der Europäischen Lärche bepflanzt ist. Auf der Innenseite der Kontur wurden etwa 350 weitere Pflanzen gesetzt, die zur ursprünglichen, heute weitgehend verloren gegangenen Vegetation dieser Landschaft gehörten. So soll auf dieser kleinen, durch den Erdwall geschützten Fläche ein natürlicher Wald entstehen. Nach außen führt um den Umriss des Falken ein mit grauem Schieferschutt gefüllter, zwei Meter breiter Weg herum, der zum angrenzenden Wald hin mit einem Drahtzaum abgeschirmt ist. Wie eine künstlerisch gestaltete und doch naturbelassene Insel inmitten der forstwirtschaftlich genutzten Waldfläche wirkt das Erdbauwerk, das zur Gänze nur aus der Vogelperspektive von den benachbarten Höhen aus zu sehen ist.
In seiner Arbeit bezieht sich der Künstler auf den Wanderfalken, der hier über 100.000 Jahre lebte, nun aber nicht mehr vorkommt, ähnlich wie viele der in seinem Umriss angepflanzten Setzlinge. Er deutet damit nicht nur auf das Verschwinden dieser Spezies hin, sondern auch auf die verlorengegangene Einheit von Mensch und Natur. Der Falke als seit Jahrtausenden domestizierter Jagdvogel ist auch ein Symbol für diese traditionelle symbiotische Beziehung. Auch der Erdwall, der den Umriss des Vogels bildet, ist ein Hinweis auf die Frühgeschichte: Keltische Wallburgen, die als erste Siedlungsspuren (um 700 v. Chr.) in dieser Region zu finden sind, verfügten als Schutzanlagen über ähnliche Erdwälle.



Die Grünstation

Skulptur 'Die Grünstation' von Gloria Friedmann Zitat zur 2005 errichteten Skulptur Die Grünstation von Gloria Friedmann:
Die Grundform eines Hauses, bestehend aus Wänden und Satteldach, setzt die Künstlerin Gloria Friedmann so in ein Waldstück, dass der gewachsene Baumbestand erhalten bleibt und ungehindert durch die kreisförmigen Öffnungen in der Dachfläche hindurch weiterwachsen kann. Zudem bleibt eine Giebelwand des Hauses offen. So erinnert das bis auf die Baumöffnungen fensterlose, grün gestrichene Bauwerk eher an einen Unterstand als an ein Wohnhaus. Der freie Blick in das Gebäudeinnere verdeutlicht: Es ist kein Haus, sondern die Skulptur eines Hauses. Auch die rudimentäre, auf vier Holzquader beschränkte „Einrichtung“ zeigt, dass menschliche Grundbedürfnisse in ihr Verhältnis zur umgebenden Natur gesetzt werden. Die Hütte bietet dem Wanderer „ein Dach über dem Kopf“, nicht viel mehr, und doch auch eine Möglichkeit, das Verhältnis des Menschen zur Natur in direkter Weise zu erleben und zu reflektieren.
In der Gegenwart wachsen durch das Dach jedoch keine Fichten, weil sie nach Stürmen gefällt werden mussten. Aktuell stellt sich der im 19. Jahrhundert begonnene Anbau von Fichten als ein fehlerhafter Eingriff von Menschen in die Natur dar, dem im Sauerland ein großes Waldsterben geschuldet ist.


Baumsterben im Sauerland

Tote Bäume in gerodeter Region am WanderwegGerodete Region am Wanderweg Aus wirtschaftlichen Gründen wurden nicht nur in dieser Region seit dem 19. Jahrhundert Fichten-Monokulturen angebaut und bewirtschaftet. Dem Klimawandel mit seinen verstärkt auftretenden Stürmen, Trocken- und Hitzeperioden sind diese Monokulturen nicht gewachsen. Den Rest erledigen Borkenkäfer. In der Gegenwart prägen abgestorbene oder gerodete Fichtenbestände das Landschaftsbild. Die Laubbaum-Aufforstung ist ein Langzeitprojekt, das an vielen Orten noch nicht begonnen hat. Aufgrund der Waldsituation verläuft unserer Wanderweg auf der zweiten Hälfte auf längeren Abschnitten schattenlos durch unerwartet apokalyptisch anmutende Kultur-Landschaften. 
- Portal Sauerland: Unser Wald in Südwestfalen 


Was war zuerst? (Hommage an Brancusi)

Skulptur 'Was war zuerst?' von Magdalena Jetelová Zitat zur 2007/2009 errichteten Skulptur Was war zuerst? (Hommage an Brancusi) von Magdalena Jetelová:
Aus der Entfernung zunächst als gleißend heller Lichtreflex unbestimmter Form wahrgenommen, erkennt der sich nähernde Wanderer bald ein überdimensionales goldenes Ei auf einer kleinen Lichtung nahe am Waldrand. Diese zunächst märchenhaft-surreale Situation erscheint bei näherer Betrachtung als vielschichtige skulpturale Intervention der Künstlerin Magdalena Jetelová.
Mit dem monumentalen goldenen Ei erfährt dessen Umgebung eine vollkommene Neuausrichtung. Die sich erstreckende Landschaft erhält plötzlich eine zielgerichtete Orientierung auf das Kunstwerk hin, der Landschaftsraum wird zum Kunstraum. Kaum ein Wanderer, der von Weitem die Lichtreflexe bemerkt, wird sich diesem Sog entziehen können. Das Ei als Symbol des Lebens, seiner Entstehung und seines Kreislaufes, tritt auch inhaltlich in Beziehung zur umgebenden Natur. Die Frage, die im Titel des Werkes aufgeworfen wird, wird sich auch in diesem Kontext von Licht, Natur, Raum und Kunstwerk nicht beantworten lassen.
Leichter feststellen lässt sich die künstlerische Bezugnahme auf die Skulptur „Der Weltenanfang“ von Constantin Brancusi aus den 1920er Jahren, ebenfalls eine liegende glänzende Eiform, die hier zu monumentaler Größe entwickelt und in den Naturkontext eingebracht eine Bedeutungssteigerung erfährt. -
Constantin Brancusi: Le commencement du monde, 1924


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