Dienstag, 4. August 2015

Kulturtour im Obervinschgau - Sehenswertes am südtiroler Jakobsweg in Prad, Agums, Lichtenberg, Söles

St. Johann bei Prad
St. Jakob bei Söles
Einer von vielen Ästen und Zweigen des Jakobswegs verläuft natürlich auch durch den Vinschgau in Südtirol. Die Etappe Prad am Stilfserjoch - Abtei Marienberg (Burgeis) liegt im Zentrum unseres aktuellen südtiroler Wanderreviers. Sehenswerte Kulturdenkmäler am Weg sind Ziele unserer heutigen Kulturtour. Gebäude sind aufgrund von Diebstählen in der Vergangenheit i.d.R. verschlossen und nur zu bestimmten Zeiten bzw. mit Führungen zu besichtigen.
Unser Programm startet in Prad an der Kirche St. Johann, 13. Jh, die wir bisher nur von außen betrachten konnten, weshalb wir von den bedeutenden Fresken dieser Kirche nur das Christopherusbild an der nördlichen Außenwand des Längsschiffes kennen (um 1400). In Sommermonaten findet dienstags um 10:00 Uhr eine Führung statt, der wir uns heute anschließen (4 € pP).
Diashow Führung St. JakobDiashow Pilgerweg

Führung St. Johann in Prad
St. Johann bei Prad
Die Führung an und in der Kirche St. Johann in Prad am Stilfserjoch leitet Franz Steiner aus Prad, der sich als umfassend informiert beweist und keine Fragen der 4 Teilnehmer unbeantwortet lässt. Wir lernen, dass die Kirche St. Johann 1367 als Eigenkirche zur Machtdemonstration der Schlossherren vom Tschengelsberg gestiftet wurde, die auch das Patronat der Kirche übernahmen und dort ihre letzte Ruhe fanden.(1) Wie damals üblich, war die Kirche im Stil der Zeit mit romanischen Fresken ausgemalt. Das Geschlecht derer vom Tschengelsberg starb 1421 aus. Nachfolgende Herren ließen die Kirche dem Zeitgeschmack gemäß zunächst mit Fresken im gotischen Stil übermalen. Im 17. Jahrhundert wurden Fresken im barocken Stil ergänzt und barocke Fenster aus dem wuchtigen Mauerwerk ausgebrochen. Die Umbauten zerstörten einen Teil der gotischen Fresken, die der Meraner Malschule zugerechnet werden. Gotische und romanische Fresken waren lange Zeit weiß übertüncht und sind erst dank umfassender Restaurierung in jüngerer Zeit wieder zu sehen.


Eine Kuriosum ist Grab des deutschen Botanikers Hermann Müller aus Lippstadt. Müller war Verfechter der damals revolutionären Darwinschen Evolutionstheorie und ein von  Darwin geschätzter Korrespondenzpartner.  Am 25. August 1883 verstarb Müller auf einer blütenbiologischen Forschungsreise in der Nähe von Prad an einem Lungenemphysem. Als Darwinist befand sich Müller im Konflikt mit der Kirche, die eine Bestattung in geweihter Erde nicht zuließ. Andererseits war Müller ein bedeutender Wissenschaftler, der nicht einfach in einem Erdloch verscharrt werden konnte. Das Gelände der Kirche St. Johann liegt außerhalb der Pfarre und wurde als geeignet für ein Ehrengrab befunden.





Sehenswürdigkeiten am Pilgerweg
Wallfahrtskirche St. Georg in Agums
Herz-Jesu-Kapelle, 1915
Wenige Meter abseits vom Pilgerweg befindet sich bei Prad in Richtung Agums auf einer Kuppe beim ehemaligen Ansitz Gargitz die 1915 von Oberst Freiherr von Lempruch gestiftete Herz-Jesu-Kapelle.(2) Die Kapelle hat lediglich als Kriegsdenkmal oder für Militaria-Fetischisten lokale Bedeutung.
Ca. 1 km weiter westlich bildet die um 1500 im gotischen Stil errichtete Wallfahrtskriche St. Georg in Agums eine weit sichtbare Landmarke. Der im barocken Stil gestaltete Innenraum ist von 16:00 - 18:00 Uhr für Besichtigungen zugänglich, aber für uns eher uninteressant.(3)




St. Christina auf Pinet, 1575, Lichtenberg
4-5 km von Prad entfernt kann nordwestlich von Agums die Fraktion Lichtenberg gleich mehrere Sehenswürdigkeiten aufweisen. Das Dorf überragt die ab dem 13. Jh. errichtete Burgruine Lichtenberg. Schloss Lichtenberg haben wir in Vorjahren mehrmals besucht. Veränderungen sind aus der Distanz nicht zu erkennen.(4) Unterhalb der Burgruine befindet sich die Pfarrkirche von Lichtenberg mit Baubestand und Fresken aus dem 13. Jh.. Oberhalb von Lichtenberg liegt bei den Pinethöfen auf einer Kuppe die 1575 im romanischen Stil errichtete Kirche St. Christina auf Pinet. Im Dorfzentrum treffen wir auf das Hotel Weisses Rössl in Gemäuern eines auf das Jahr 1480 zurückzuführenden historischen Gasthauses.(5) Besichtigen können wir das Haus nicht, weil es (in der Hochsaison!) wegen Betriebsferien geschlossen ist.

St. Jakob Kirche, 13. Jh., Söles bei Glurns
Unsere Kulturtour endet an der ursprünglich romanischen (1220) und nach einem Brand in Folge der Calvenschlacht im spätgotischen Stil 1570 wieder aufgebauten Kirche St. Jakob bei Söles (ca. 1,5 km westlich von Glurns), die als älteste Jakobskirche Tirols gilt. Bei neuzeitlicher Restaurierung wurden Teile des romanischen Vorgängerbaus und eine romanische Freskengruppe aufgedeckt.(6)










Anmerkungen
  • (1) Ein Post vom 30.07.2015 beschreibt unseren Besuch von Tschengls und der Burgruine Tschenglsberg.
  • (2) Am Mitterhof ließ der damalige Befehlshaber der Ortlerfront im ersten Weltkrieg, Oberst Freiherr von Lempruch, 1915 eine Kapelle zu Ehren der Gefallenen errichten. Alte Geschichten erzählen, dass der in Wien verheiratete Oberst in die Bauerntochter des Patzlaidhofes verliebt war. Welchen Einfluss die Affaire auf den Bau der Kapelle hatte, wird nicht kolportiert. Die Kapelle wurde später von Faschisten verwüstet und erst in den 80er Jahren vom Frontkämpferverband wieder restauriert. Seit der Segnung zur Herz-Jesu-Kapelle findet jährlich eine Messe statt.
  • (3) PDF-Dokument mit Fotos: Wallfahrtskirche zum Hl. Georg in Agums
  • (4) Post vom 19.07.2012
  • (5) PDF-Dokument zur Geschichte des Weissen Rössls
  • (6) In den Sommermonaten kann die Kirche freitags von 16.00 - 17:00 Uhr besichtigt werden.


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