Dienstag, 2. September 2014

Südtirol 2014 - Wanderung um die Seiser Alm über den Schlern zum Tierser Alpl und zurück über die Mahlknechthütte

Schlerngipfel, Santnerspitze, Euringerspitze
Unsere heutige Tour bietet 'wanderglueck' in großen Portionen! In den westlichen Dolomiten steigen wir von der Seiser Alm(1) zum Schlern auf und durchwandern den gesamten Schlernrücken bis zum Tierser Alpl(2), an dem in attraktiver Lage das beliebte Schutzhaus Tierser Alpl zur Rast einlädt. Vom Tierser Alpl im Südosten der Seiser Alm(1) durchqueren wir auf dem Rückweg die Seiser Alm(1) über die Mahlknechthütte bis zur Talstation des Sesselliftes auf den Spitzbühl im Nordwesten.
Wolkenloser Himmel bietet am Morgen eine großartige Fernsicht, aber bereits am Vormittg ziehen Wolken auf, die sich über den Tag verdichten. Dabei ist es ziemlich kalt und windig. In 1.600 m Höhe liegt die Temperatur am Morgen bei 8 Grad und steigt über den Tag nur bis 15 Grad.   
Am Ende des Tages haben wir auf dieser schönen Tour in 6,5 Stunden Gehzeit (7,5 Stunden Gesamtzeit zzgl. An-/Abreise) eine Strecke von 23,7 km mit 1.380 m Höhenunterschied zurückgelegt. Diashow der Fotoserie


Cevedale, Zufallspitzen, Königsspitze, Ortler
Frühaufsteher können mit eigenem Auto auf die Seiser Alm(1) fahren, die Zufahrt zum Landschaftsschutzgebiet ist nämlich nur im Zeitraum von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr für den privaten Verkehr gesperrt.(3) Die Parkgebühr auf dem Parkplatz bei Compatsch beträgt jedoch 15 €. 1 km Wanderstrecke vor Compatsch (Weg Nr. 4) und nur 150 m tiefer liegt der Parkplatz der Talstation des Sesselliftes auf den Spitzbühl. Hier können wir das Auto kostenlos abstellen. Den Sessellift ignorieren wir (8 € pP Berg-/Talfahrt) und gehen zu Fuß über die nur 210 m höher liegende Kuppe des Spitzbühls, ein bei Gleitschirmfliegern beliebter Startplatz. Die Höhe verlieren wir gleich wieder, weil unser Anstiegsweg auf den Schlern durch den tief liegenden Geländeeinschnitt des Frötschbaches führt.





Schlern mit Aufstiegsroute, Santnerspitze, Euringerspitze
Zahlreiche Routen führen aus allen Himmelsrichtungen auf den Schlern. Abgesehen von Kletterrouten sind auch die meisten Wanderrouten relativ lang und anspruchsvoll. Den leichtesten Zugang bietet der 'Touristensteig' (Markierung '1'). Auch dieser Weg erfordert solide Kondition und verlangt auf einigen steileren Felsstufen Trittsicherheit, aber die Bezeichnung verleitet zur Unterschätzung der Anforderungen. Bisher haben wir noch bei jedem Aufstieg erschöpfte bzw. überforderte Wanderer angetroffen, die oft auch noch unzulänglich ausgerüstet sind.
Nach Durchschreiten der Baumgrenze blicken wir weit in das Gebiet der Dolomiten und darüber hinaus auf Gipfel am Alpenhauptkamm. In der Höhe erwartet uns ein kräftiger, kalter Nordföhn.





Route auf dem Schlernrücken, Rosszähne, Rosengarten
10 Gehminuten entfernt von den nur 50 m höher auf dem Gipfelplateau liegenden Schlernhäusern (2.450 m) erreichen wir die Abzweigung der Route über den Schlernrücken nach Osten (Weg Nr. 4). Da noch eine weite Strecke vor uns liegt, verzichten wir nach 2:10 Std. schweißtreibendem Anstieg auf den Schlenker zu den Schlernhäusern und biegen auf den vorerst wenig profilierten Genussweg über den Schlernrücken ab.
Für eine Rast ist uns das Wetter zu kühl. Stattdessen benötigen wir die mitgeführte warme Bekleidung inkl. Mütze und Handschuhe. Um nicht auszukühlen, legen wir ein strammes Tempo vor. Die nächste Gelegenheit zur Einkehr, das Schutzhaus Tierser Alpl, liegt laut Wandermarke in 1:50 Std. Entfernung.





Route auf dem Schlernrücken mit Schlernhäusern und Petz
Archäologische Funde und wissenschaftliche Untersuchungen von Kultplätzen und Tierskeletten zeigen, dass der Schlern mindestens seit der Jungsteinzeit (also seit mehr als 5.000 Jahren) beweidet wird.(4) Die geologische Geschichte der Dolomiten reicht natürlich viel weiter zurück als menschliche Kulturgeschichte. Vor ca. 280 Millionen Jahren setzte die Entstehung der Dolomiten ein(5), die somit mehr als doppelt so alt sind wie die sich seit ca. 135 Millionen Jahren auffaltenden Alpen.(6)







 

Fossile Spuren am Schlern
Die Geschichte der Dolomiten begegnet uns auf der Wanderung buchstäblich auf Schritt und Tritt. Das Kalkgestein des Schlerngebietes ist übersät mit fossilen Spuren, die wir als Schwämme, Muscheln und Korallenstöcke identifizieren. Mit 'en passant' wahrgenommenen fossilen Abdrücken ließen sich mehrere naturkundliche Museen vollstopfen. Wir empfinden diese Erfahrungen als spannend, aber für intensivere Beobachtungen reicht heute leider nicht die Zeit. Dank Internet können wir nach der Wanderung unsere oberflächlichen Eindrücke vertiefen.








Schutzhaus Tierser Alpl zwischen Schlern und Rosengarten
Nach mehr als einer Stunde Gehzeit auf dem Schlernrücken blicken wir auf das Schutzhaus Tierser Alpl (2.440 m) am Sattel zwischen den Rosszähnen der Schlerngruppe und Felstürmen der Rosengartengruppe. Um die Hütte zu erreichen müssen wir zunächst auf einem schmalen Saumpfad ca. 200 m absteigen und anschließend noch einmal 100 m aufsteigen. Auf diesem Abschnitt des Weges kommen uns mehrere Wandergruppen entgegen. Das Passieren ist oft nur mit gegenseitiger Rücksicht und kurzen Abstimmungen möglich.








Schutzhütte Tierser Alpl
4 Stunden Wanderung liegen beim Erreichen des Schutzhauses Tierser Alpl (2.440 m) hinter uns. Wir möchten einkehren, aber wie befürchtet, steppt in der gemütlichen Hütte der Bär. Viele Wanderer nehmen trotz der Kälte mit dem Außenbereich vorlieb. Zu zweit können wir uns gerade noch an den Rand eines Tisches quetschen.
Endlich haben wir auch Gelegenheit, uns mit den Vermietern unserer Unterkunft, der Villa Tilia, bekannt zu machen. Die Vermieter sind nämlich Besitzer des Schutzhauses Tierser Alpl und betätigen sich im Sommer als Hüttenwirte. Bei dem großen Andrang bleibt für den persönlichen Kontakt verständlicherweise nur wenig Zeit. Immerhin können wir uns begrüßen und einige persönliche Worte wechseln. Auf der Hütte sind wir als Gäste eingeladen. Herzlichen Dank!





Blick vom Abstiegsweg auf die Rosszähne


Blick vom Abstiegsweg auf den Schlern
Nach halbständiger Rast brechen wir auf. Für den Rückweg bieten sich zwei Optionen an. Der kürzere Weg (ca. 2 Stunden) erfordert einen kurzen Anstieg auf die 2.499 m hohe Rosszahnscharte mit einem nachfolgenden steilen Abstieg (Weg Nr. 2). Die komfortablere Variante über das Mahlknechtjoch ist ca. 30 Minuten länger. Wir entscheiden uns für die Komfortoption und schlendern auf dem eher gemütlichen Mahlknechtweg zurück. Auf dem Rückweg passieren wir die Mahlknechthütte und einige weitere Einkehrmöglichkeiten, die wir jetzt nicht mehr benötigen. Nach 2:35 Std. Rückweg erreichen wir den Ausgangspunkt.







Panorama auf dem Abstiegsweg

Anmerkungen


(1) Die Seiser Alm ist mit einer Fläche von 57 qkm nicht nur die größte europäische Hochalm, sie ist auch ein beliebtes Urlaubsgebiet mit entsprechender touristischer Infrastruktur. Im Sommer zieht es insbesondere Wanderer, Bergsteiger und Mountainbiker auf die Seiser Alm. Wer flacheres Gelände bevorzugt, findet auf der für den öffentlichen Verkehr gesperrten Seiser Alm ein ausgedehntes Wegenetz in einer Landschaft mit Mittelgebirgscharakter. Nach Westen, Süden und Südosten ist die Seiser Alm von der Schlerngruppe, dem Rosengarten und der Langkofelgruppe umgeben. Wer Bergtouren liebt, trifft auf zahlreiche attraktive Routen und Klettersteige unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade und nicht zuletzt auch ein engmaschiges Netz an bewirtschafteten Schutzhütten. 

(2) Das Tierser Alpl ist ein Gebirgssattel, der in Ost-West-Richtung zwischen den Rosszähnen (Schlerngruppe) und dem Rosengarten liegt und in Nord-Süd-Richtung einen Übergang von der Seiser Alm in das Tierser Tal erlaubt.

(3) Informationen zur Mobilität bietet die Webseite Urlaub ohne Auto in der Ferienregion Seiser Alm

(4) Eine Veröffentlichung von Tobia Moroder auf der Webseite der Universität Bologna dokumentiert den aktuellen Stand der Forschung im Schlerngebiet: Kultplätze der Heiden - Tummelpätze der Hexen 

(5) Ein Reiseportal beschreibt für Laien anschaulich die Entstehung der Dolomiten 

(6) Über die Geologie und Entstehung der Alpen informiert ein Artikel in Wikipedia: Geologie der Alpen


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen