Donnerstag, 15. Mai 2014

Rennsteigwanderung über den Spießberg zur Alten Ausspanne ab/bis Finsterbergen

Blick vom Aussichtsturm am Spießberg nach Süd-Osten
Wir wandern heute auf einem Abschnitt des Rennsteigs, den wir übermorgen auf der 35 km Nordic Walking Tour im Rahmen des GutsMuth-Rennsteiglaufs gehen werden(1). Start- und Ziel unserer Wanderung ist der Ort Finsterbergen. Während der Rennsteig perfekt markiert ist, bestätigt sich heute einmal mehr, dass die Orientierung für ortsunkundige Wanderer auf Nebenstrecken schwierig ist. Trotz Wanderkarte(2) verlaufen wir uns gleich mehrfach und müssen uns mehrmals nach dem Weg erkundigen. Mit Umwegen legen wir auf der abwechslungsreichen Strecke ca. 25 km zurück, für die wir 5:15 Stunden benötigen. Vorgesehen war eine etwa 20 km lange Strecke mit 4 Stunden Gehzeit. Der landschaftlich attraktive Rennsteigabschnitt fällt mit ca. 10 km Strecke relativ kurz aus, aber übermorgen besteht Gelegenheit zur Nachbesserung(3). Diashow der Fotoserie   




Verfallene Bob- und Rodelbahn am Spießberg
Ab Finsterbergen ist die Orientierung noch problemlos. Gleich hinter dem Ort passieren wir die Bildungs- und Freizeitstätte Waldhof Finsterbergen und gehen auf gut ausgebauten Wegen in Richtung Westen dem etwa 300 m höher liegenden Spießberg auf dem Rennsteigkamm entgegen. Noch vor dem Rennsteig erreichen wir das Spießberghaus, aber für eine Einkehr besteht noch kein Bedarf. Auf der gegenüberliegenden Seite blicken wir im Wald auf Reste der alten Spießbergbahn, eine seit 1901 betriebene Bob- und Rennschlitten-Natureisbahn. 1983 wurde die Traditionsstrecke verlegt und umgebaut. Der nicht mehr genutzte Abschnitt verrottet nun samt ehemaligem Starthaus im Wald vor sich hin.






Rennsteig-Wegweiser am Spießberg
Nach einer Stunde Gehzeit treffen wir zwischem dem Heuberg und dem Spießberg auf den Rennsteig, dem wir nach Osten in Richtung Oberhof folgen. Bis nach Oberhof werden wir jedoch erst übermorgen gehen. Bald ist auch mit dem 749 m hohen Spießberg unser erster 'Gipfel' erreicht. 
Der ca. 170 km lange Kammweg verläuft gezielt auf dem Höhenzug des Thüringer Waldes, weil in tieferen Lagen Sumpfgelände vorherrschte, in dem das Reisen und das Transportieren von Waren auf dem historischen Handelsweg kaum möglich war.








Aussichtsturm am Spießberg
Possenröder Kreuz
Südöstlich des Spießberges lädt ein erst 2013 errichteter metallener und mit Lärchenholz verkleideter Aussichtsturm zu einem weiten Ausblick über den südlichen Thüringer Wald ein (siehe Foto der Einleitung). Die Einladung nehmen wir natürlich gerne an.
Vom 'Spießberg' (749 m) fällt die Strecke bis auf 700 m Höhe am Possenröder Kreuz, das etwas abseits vom Rennsteig aufgestellt ist. Der als Malteserkreuz gearbeitete Stein wurde im späten Mittelalter mutmaßlich als Sühnekreuz für einen hier verübten Totschlag gesetzt, erklärt die hinter dem Steinkreuz aufstellte Tafel. Wie alt der Stein tatsächlich ist und in welchem historischen Kontext er aufgestellt wurde, lässt sich nicht genau bestimmen. Nach akribischen Recherchen beschreibt Ullrich Göbel auf der Webseite des Rennsteigvereins seine Erkenntnisse zum Possenröder Kreuz.


Dreiherrenstein am Hangweg bei der Ebertswiese
Im Mittelalter markierte der Rennsteig die Grenze zwischen dem Herzogtum Franken und der Landgrafschaft Thüringen. Die insgesamt ca. 1300 historischen Grenzsteine entlang des Rennsteigs wurden jeoch erst ab dem 16. Jahrhundert als politische Hoheitszeichen gesetzt und stammen überwiegend aus dem 18. Jahrhundert. Wo sich drei Herrschaftsbereiche trafen, wurden 'Dreiherrensteine' aufgestellt, von denen insgesamt zehn am Rennsteig stehen. An unserer Wanderroute liegt in einer Gruppe weiterer Steinmarken der 'Dreiherrenstein am Hangweg' aus dem Jahr 1586, ein ehemaliger Grenzstein des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach, des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha und Kurhessen.






Ebertswiese mit Berghotel
Nach 2 Stunden Gehzeit erreichen wir die 'Ebertswiese'. Die Bezeichnung verweist auf Abt Eberhard von Berg des ehemaligen Zisterzienserklosters Georgenthal, der im 11. Jahrhundert das Gelände roden und trocken legen ließ. Am Rand der 'Ebertswiese' liegt das Berghotel Ebertswiese, in das wir heute einkehren.











Gerhard Grimmer Devotionalien im Berghotel Ebertswiese
Da die wenigen Tische im überschaubaren Gastraum bereits belegt sind, dürfen wir in einem angrenzenden Nebenraum Platz nehmen, der zugleich als kleines Museum an die Erfolge des ehemaligen Weltklasse-Ski-Langläufers Gerhard Grimmer erinnert, der in der DDR und insbesondere in Thüringen als Held verehrt wurde. Dass Gerhard Grimmer noch nicht in Vergessenheit geraten ist, machen Kommentare von Gästen deutlich. Gerhard Grimmer ist der Vater der Wirtin und hält sich gerne in dem Hotel auf, verrät der Hotelflyer. Die angebotene Erbsensuppe ist zwar kein Weltmeister, aber ebenso empfehlenswert wie der Kuchen und der Service des Hauses.







Schutzhütte und Wegweiser an der 'Älten Ausspanne'
Nach der Rast erreichen wir bald die 'Alte Ausspanne'(4), von der wir zu unserem Rückweg nach Finsterbergen abzweigen. Wir geraten bald in ein 'Niemandsland' und werden zunehmend ratlos. Ein einheimischer 'Nordic Walker' hilft uns, einen direkten Weg zum Ort Tambach-Dietharz zu finden. Nachdem wir den Ort erreicht haben, finden wir keine Hinweise einer Wanderroute nach Finsterbergen.
Freundliche Einheimische zeigen sich behilflich und verhelfen uns auf einem größeren Umweg zur Rückkehr. Auf dem Rückweg treffen wir in den Wäldern auf ein gruseliges Arreal, das von einem doppelten Stacheldrahtzaun umgeben ist. Innerhalb des Geländes liegen heruntergekommene Gebäudekomplexe. Ob die Gebäude bewohnt sind, ist nicht zu erkennen, aber auf dem Gelände stehen mehrere Autos. Recherchen ergeben, dass sich auf dem Gelände zur Zeit der DDR das GST-Ausbildungszentrum 'Rote Jungfront' befand. 'GST' ist die Abkürzung für Gesellschaft für Sport und Technik, eine paramilitärische Einrichtung an mehreren Standorten, die Jugendliche durchlaufen mussten, um nicht auf Abstellgleisen zu veröden. Nach der politischen Wende im Jahr 1989/1990 wird das Arreal zu einem menschenunwürdigen Flüchtlingslager für Asylbewerber umfunktioniert. Ob und ggf. welche Funktion das furchterregende Gruselkabinett in der Gegenwart erfüllt, ist nicht ermittelbar. 


Anmerkungen


(1) Die Veranstaltung und unseren Standort in Schnepfenthal beschreibt der Post Rennsteiglauf 2014 - Wie sind wieder da!
(2) Karte Naturpark Thüringer Wald Nr. 3
(3) Interessierten seien die interessanten Beiträge auf der Webseite des Rennsteigvereins empfohlen.
(4) Am Rennsteig liegen mehrere 'Ausspannen', an denen im Zeitalter von Pferdetransporten Fuhrleute aus umliegenden Dörfern Handelsreisenden zusätzliche Pferde zur Überwindung von Pässen anboten.

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