Dienstag, 29. Mai 2012

Rheinsteigwanderung von Linz nach Rheinbrohl

Wegmarken Rheinsteig und Westerwaldstark
Blick vom Kaiserberg auf Rhein, Linz und Ahrmündung
Mit dieser abwechslungsreichen Etappe dringen wir nach Süden in den 'Naturpark Rhein-Westerwald' ein. Alte Dörfer, Burgen und Basaltsteinbrüche liegen an der historischen Grenze des keltischen und römischen Kulturraumes. Zwischen Bad Hönningen und Rheinbrohl sind Spuren des als 'Limes' bezeichneten ehemaligen Römerwalls sichtbar gemacht. Wesentlich jünger ist der 'Westerwaldsteig', der seit dem Jahr 2008 zwischen Bad Hönningen und Rheinbrohl, je nach Gehrichtung, beginnt oder endet. Der 'Westerwaldsteig' bietet sich als Kandidat für ein Anschlussprojekt an. Heute nehmen wir den 'Westerwaldsteig' nur zur Kenntnis. Wir wären sogar konsequent auf dem Rheinsteig geblieben, wenn wir uns nicht wieder verlaufen sowie unsinnge Schleifen ausgelassen hätten, die vermutlich den Kriterien von 'Premiumwegen' geschuldet sind.
Bei guten konditionellen Voraussetzungen belohnt diese Etappe von ca. 20 km Länge (vielleicht sind es auch etwas mehr) mit vielen großen Genüssen für viele kleine Anstrengungen. Auf dieser Strecke sind wir bei sommerlichem Wetter 4:30 Stunden (netto) unterwegs.


Rathaus von Linz am Marktplatz
Wir fahren mit dem Auto bis Linz und parken in der Nähe des Bahnhofs. Unser erstes Ziel ist das Touristinfo von Linz, in dem wir aktuelle Wanderkarten erstehen wollen, die für längere Wanderungen unerlässlich sind. Bedingt durch Baumaßnahmen ist das Touristinfo temporär aus dem Rathaus ausgelagert, aber dank der Hinweise nicht zu verfehlen. Wir finden brauchbare, aktuelle Wanderkarten und sind nun bereit für den Weg.









Aussicht vom Kaiserberg auf das Rheintal
Gleich ab Linz ist ein erster längerer und gut ausgebauter Anstieg auf den Rhein-Westerwald zu bewältigen. Etliche weitere Ab- und Anstiege werden folgen. Ohne eine solide Kondition dürfte diese Etappe recht mühsam sein.
Unser erster Anstieg führt auf den Kaiserberg, 182 m, von dem sich eine gute Aussicht über das Rheintal bietet. Unter uns liegt Linz. Auf der gegenüberliegenden Rheinseite schauen wir auf Remagen und südlich von Remagen auf die Ahrmündung. Im Hintergrund sind Eifelhöhen zu erkennen.








Schloss Dattenberg
Auf der Fortsetzung des Weges nach Dattenberg verlieren wir wieder die mühsam gewonnene Höhe. In Dattenberg überrascht uns der Blick auf eine 'Burg'. Ab dem 12. Jahrhundert sind Burganlagen verschiedener Rittergeschlechter nachgewiesen. Nach einer Aera des Verfalls sind von der ursprünglichen Burganlage nur noch Reste des Bergfrieds vorhanden. 1890 wurde die Anlage zu einer schlossartigen Villa ausgebaut und ab 1920 zunächst als kirchliche und später als nationalsozialistische Jugendeinrichtung genutzt. Nach dem 2. Weltkrieg dienten die Gebäude u. a. als Schullandheim. Seit 2003 befindet sich der Komplex in Privatbesitz und kann mittlerweile als Event-Location gemietet werden.






Feld bei Leubsdorf
Wegkreuz zwischen Leubsdorf und Ariendorf
Zwischen Dattenberg und Leubsdorf gestatten wir uns eine Abkürzung, um Konzessionen an Premiumsweg-Kriterien zu entgehen.
Hinter Leubsdorf dominieren vorerst landwirtschaftliche Nutzungsflächen das Gelände. Wegkreuze bezeugen immer wieder die Frömmigkeit der Landbevölkerung. An einem der Wegkreuze finden wir eine schattige Bank, die sich nach etwas mehr als zwei Stunden Gehzeit auf etwa halber Wegstrecke für ein Picknick anbietet.




Dorfplatz von Ariendorf (Ortsteil von Bad Hönningen)
Die nächste Ortschaft auf unserem Weg ist Ariendorf, dessen Existenz wir heute das erste Mal wahrnehmen, obwohl sich der Ort seit fast 800 Jahren nachweisen lässt und gerade mal 60 Autokilometer von unserem Wohnsitz entfernt liegt. Der Dorfplatz bildet mit der 1712 erbauten Kapelle St. Johann Baptist und einigen aufwendig restaurierten alten Fachwerkhäusern ein sehenswertes Ensemble. Etwas versteckt liegt neben dem Dorfplatz eine kleine Burganlage mit neugotischen Architekturelementen. Architekt des Neu- oder Umbaus dieser Burganlage war Mitte des 19. Jahrhunderts der Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner, ein Schüler Karl Friedrich Schinkels, der für die Fertigstellung des Kölner Doms verantwortlich war.   





Rheinfront von Schloss Arenfels bei Bad Hönningen
Möglicherweise hat uns Ariendorf so fasziniert, dass wir die Wegführung des Rheinsteigs verloren haben. Bei Bad Hönnigen schauen wir über Weinberge zu Schloss Arenfels auf, das unterhalb des Rheinsteigs liegt. Hier bietet sich die Gelegenheit, unseren Routenfehler zum Preis einer erheblich längeren Wegstrecke zu korrigieren. Der Aufstieg zum Rheinsteig verlangt eine weiträumige Umrundung des Schlosses, bei der wir die Anlage aus allen Richtungen betrachten können. In seinem aus England importierten Stil der 'Neugotik' wirkt das Schloss auf Festlandeuropäer wie eine Phantasie-Architektur an der Grenze zum Skurrilen. Architekt des 1849-1855 umfassend veränderten Schlosses war ebenfalls der Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner. Die Schlossanlage wurde im 2. Weltkrieg stark zerstört und lange nur notdürftig repariert. Das Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz initiierte im Jahr 2000 ein Sanierungsprogramm, dessen Erfolge auf der rheinseitigen Schauseite zu erkennen sind. Die Rückseite der Anlage zeigt, dass noch Vieles im Argen liegt.


Rückseite von Schloss Arenfels bei Bad Hönningen
Schloss Arenfels erinnert uns spontan an Schloss Babelsberg bei Potsdam, das nur wenig früher und gleichfalls von Architekten der Schinkel-Schule für den späteren Kaiser Wilhelm I. entworfen wurde. (Als Kronprinz handelte sich Wilhelm wegen seiner Haltung gegenüber den Ereignissen der Märzrevolution von 1848 den unrühmlichen Beinamen 'Kartätschenprinz' ein.)
Tatsächlich war es jedoch Wilhelms selbstbewusste Frau Augusta, die ihre eigenen Vorstellungen eines Schlosses in Potsdam verwirklichte. Wegen einer Jugendliebe, die nicht in die Heiratspolitik passte, musste Augusta einige Jahre bei ihrer Tante, Queen Victoria, in England abkühlen. Dort beschäftigte sich Augusta mit aktuellen englischen Architekturstilen und begeisterte sich für den neugotischen Stil, den sie später für Schloß Babelsberg, mitunter auch gegen ihre Architekten, durchsetzte. Wilhelm ließ seine Frau gewähren. Vielleicht war er froh, dass Augusta ein Betätigungsfeld gefunden hat. Er selbst bevorzugte Kontakte mit anderen Damen.
Möglicherweise bildete Schloss Babelsberg ein Muster für den Umbau von Schloss Arenfels, das auf eine mittelalterliche Burg des 13. Jahrhunderts zurückgeht. Von der ursprünglichen Burganlage, die über die Jahrhunderte mehrfach umgebaut oder erweitert wurde, sind nur noch Reste des ehemaligen Bergfrieds erhalten. 

Gasthaus bei Arienheller mit Palisadenzaun als Limessymbol
Bad Hönningen haben wir bereits hinter uns gelassen und bewegen uns jetzt in Richtung Rheinbrohl, wo wir den Zug für unsere Rückfahrt nach Linz besteigen wollen. Bei Rheinbrohl verlief zur Römerzeit der 'Limes', ein Schutzwall, mit dem sich die römischen Besatzer gegen Überfälle der einheimischen Kelten schützen wollten. Ja, Muster der Geschichte wiederholen sich. Nein, Lernfähigkeit entwickelt sich offensichtlich trotz aller Erfahrungen mit den Wiederholungsmustern nicht.
1899 wurde bei Rheinbrohl ein ehemaliges römisches Kleinkastell entdeckt und in den Folgejahren archäologisch gesichert. Die Besatzung des Kleinkastells war für den Schutz des westlichen Limesabschnittes verantwortlich. Die Vergangenheit römisch-germanischer Geschichte beschert uns in der Gegenwart beim Ortsteil Arienheller ein touristisches 'Limes-Erlebniszentrum Römerwelt', um das wir einen Bogen schlagen.
Bei Arienheller kreuzen sich die Fernwanderwege 'Rheinsteig' und 'Westerwaldsteig' mit dem regionalen 'Limesweg'. Die wuchernde Kennzeichnung der Wege erhöht nicht gerade die Transparenz der Streckenführung, sondern erschwert im Gegenteil die Orientierung. Wir nutzen erst einmal die Gastronomie von Arienheller für ein kühlendes Getränk, ehe wir unter konsequenter Ignorierung aller Wandermarken den Weg in Richtung Bahnhof einschlagen. Auf der Hauptstraße von Rheinbrohl, auf der auch der Bahnhof liegt, fällt uns ein sich nähernder Bus auf, der als Ziel "Linz Bahnhof" ausweist. Der Himmel will es, dass wir uns gerade auf der Höhe einer Bushaltestelle befinden und wir diese scheinbar zufällig aufeinandertreffenden Ereignisse als ein deutliches Zeichen des Himmels verstehen, das wir nicht ignorieren dürfen. Der Busfahrer kassiert 2,65 € pro Person und erteilt uns damit Absolution von dem zu erwartenden Stress an Fahrkartenautomaten und in weiteren Bahnhofsabenteuern. Nachdem wir 4,5 Stunden gewandert sind, dauert die Rückfahrt zum Bahnhof in Linz gerade einmal 12 Minuten. Allerdings sind die Routen nicht vergleichbar.

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